Klagepsalm unserer Zeit - Worte am Weg Klettgauerbote

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Ich klage, Gott, über arglistigen Stimmen voller Hass und Menschenverachtung, die unsere Jugendlichen niederschreien. Ich klage für sie, weil die lautesten Influencer die extremsten sind. Ich klage, weil die Ideologen griffiger formulieren als die Besonnenen.
Werner Näf,
Ich klage über die Unerfahrenen, die kaum Chancen hatten, die Wirklichkeit zu erspüren: sie können nicht betrügerische Nachrichten und Falschgeschichten unterscheiden von unserer Welt.

Ich klage über die Menschen, die zu hohe Anforderungen stellen an das Leben und an sich selbst. Unerfüllbare Regeln fressen sich in ihre Gemüter – und Erwartungen, masslos. Keine Arbeitsstelle kann sie erfüllen, kein Lebenspartner, kein Platz im Leben.

Ich klage über die wuchernden Widersprüche, die es schwer machen, eine Haltung zu entwickeln. Empörte öffentliche Moralisten treiben uns vor sich her.

Ich klage über die Verschwörung der Tyrannen, die nicht in der Theorie und geheim agieren, sondern sich bei Militärparaden zusammenrotten und sich unterstützen gegen Völker, auch eigene.

Ich klage über die Geiseln, wo auch immer sie genommen und gequält werden, ich klage über die Gefangenen, die nur politisch, nicht verbrecherisch sind. Sie leiden und gehen zu Grunde, Gott.

Ich klage in der Geschäftswelt über den Pedell, der mit dem Reisbesen Trümmer von Intrigen zusammenkehrt in den eleganten Büros und von den Plasmabildschirmen Spinnweben des Misstrauens abwischt. Seinen Kehricht kann er nicht kompostieren, denn es ist zwischenmenschlicher Sondermüll.

Ich klage, weil ich weiss, dass du mitleidest.

Werner Näf, Gächlingen, publiziert im Klettgauer Boten vom Samstag, 18. Oktober 2025

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