«Sorgt euch nicht …»

Dies ist die zeitlose Botschaft der farbigen Fenster in der evangelisch-reformierten Kirche Ramsen.

«Dem Werk wurde die Krone aufgesetzt …» So schrieb der damalige Kirchenstand in seinem Jahresbericht über das, was am Karsamstag, dem 13. April 1968 geschehen war: Als Abschluss der Kirchenrenovation wurden die zwei farbigen Fenster links und rechts von Kanzel und Kreuz eingebaut.

Es sind klassische Glasfenster mit Bleiruten. Diese Einfassungen aus Blei verbinden und trennen gleichzeitig die einzelnen farbigen Glasteile und steigern so die Leuchtkraft der Farbtöne. Entworfen und geschaffen wurden die beiden Kirchenfenster von der Glasmalerin Lisa Stauffer (1931-2009) aus Aarau.

Die Darstellung in beiden Kirchenfenstern neigt sich gegen die Mitte, gegen die Kanzel und das Kreuz. Beide Darstellungen sind also gut evangelisch-reformiert auf das Wort ausgerichtet, auf die Verkündigung des Evangeliums. Nicht zufällig steht ein Bibeltext dahinter: ein Abschnitt aus der Bergpredigt Jesu (Matthäus 6,25-34). Darin lädt er ein, von den Lilien auf dem Feld und den Vögeln des Himmels Gottvertrauen zu lernen.

Lilien und Vögel

In den unteren zwei Dritteln des linken Kirchenfensters erkennt man Pflanzen mit Knospen und Blüten in Grüntönen. Sie wachsen diagonal von links unten nach rechts oben. Es sind Lilien auf dem Feld. Jesus sagt von ihnen, dass sie wachsen, obwohl sie nicht arbeiten und nicht spinnen, und viel schöner aussehen als der glorreiche König Salomo in all seiner Pracht.

Die Lilien-Blüten sind noch nicht farbig. Es muss also Frühling sein, die Zeit des Wachsens. Kleine Dreiecke in hellem Violett-Rosa, die ein Viereck umgeben, sind offene Blüten. Die rundlichen Figuren in dunklerem Violett-Rosa im obersten Drittel deuten Blumen an, die schon Samen bildeten. Da wären wir also im Sommer, in der Zeit des Reifens.

Auf diesen Blumen steht ein Vogel. Ein weiterer fliegt im mittleren Drittel von rechts heran. Von den Vögeln des Himmels sagt Jesus, dass sie nicht säen, nicht ernten, nicht in Scheunen sammeln und doch Nahrung finden. Und er gibt zu bedenken: Wird Gott nicht auch für uns sorgen, wenn er es für die Lilien und die Vögel tut?

Im obersten Drittel des Fensters fliegen drei Vögel des Himmels nach rechts über Grünflächen, die die gleiche diagonale Richtung aufweisen wie die Lilien. Es ist ein Blick von oben auf die Landschaft. Dieser Blick aus der Vogelperspektive lässt manches in einem andern Licht erscheinen als der Blick aus der Froschperspektive.

Goldene Sonne

Im untersten Drittel des rechten Kirchenfensters sind vier runde Blumen zu sehen. Halbrunde Flächen innerhalb von drei dieser Blumen deuten die Anlage von Samen an. Im mittleren Drittel blühen sieben Blumen mit je vier Blütenblättern. Links darunter die kleinen bräunlich-gräulichen Rundflächen sind Samen. Rechts daneben die länglichen Formen aus Sechsecken erinnern an Bienenwaben. Die halbrundlichen Formen rechts davon bringen Fülle zum Ausdruck.

Warme Herbst-Farben überwiegen in den unteren zwei Dritteln des Bildes. Auch hier ist die Diagonale zur Mitte betont, allerdings weniger stark als im linken Kirchenfenster. Denn das aufwärts drängende Wachstum des Frühlings und Sommers reifte hier zur Ernte des Herbsts heran.

Über dieser Fülle des Erntesegens steht im obersten Drittel des Fensters eine goldene Sonne am Himmel. Acht Vögel sind auf diese Sonne ausgerichtet und umrunden sie. Die Gesamtheit dieses rechten Kirchenfensters und auch die Gesamtheit des linken Kirchenfensters streben auf diese Sonne zu. Die goldene Farbe weist darauf hin, dass es dabei nicht nur um die Sonne als Himmelskörper geht, sondern um die Sonne als Symbol für den dreieinigen Gott.

Dies bringt zum Ausdruck, was Jesus in der Bergpredigt so sagt: Sucht zuerst Gottes Reich und seine Gerechtigkeit, dann wird euch gegeben werden, was ihr zum Leben braucht. Und weiter sagt er: Sorgt euch also nicht um den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen.

Dass wir uns nicht um den nächsten Tag sorgen sollen – diese Botschaft sei ihr wichtig und sie versuche danach zu leben. Dies sagte die damals 77-jährige Glasmalerin Lisa Stauffer vor zehn Jahren. Und mit Bedauern fügte sie an, dass es eine Botschaft sei, die es nicht leicht habe. Ihre beiden farbigen Glasfenster ermutigen jedoch immer wieder Menschen, im Vertrauen auf Gott vorwärts zu gehen.

Pfr. Urs Wegmüller
Bild wird geladen...Linkes Kirchenfenster (zum Ansehen anklicken) (Foto: Urs Wegmüller)
Bild wird geladen...Rechtes Kirchenfenster (zum Ansehen anklicken) (Foto: Urs Wegmüller)