Peter Vogelsanger

Bibel einfach erklärt

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Kolumne in den Schaffhauser Nachrichten
Peter Vogelsanger,
Jede Woche erscheint in den SN eine Kolumne zu einem zentralen Thema der Bibel.

Sie finden die aktuellsten zwei Beiträge auch hier am rechten Rand (sofern Sie einen breiten Bildschirm nutzen).

in der letzten Januarwoche 2025 stammt der Artikel aus Herblingen:


Verbietet Jesus die Ehescheidung?

Da traten Pharisäer auf Jesus zu und versuchten ihn und sprachen: Ist’s erlaubt, dass sich ein Mann aus irgendeinem Grund von seiner Frau scheidet? (Matthäus-Evangelium Kap 19, Vers 2ff)

Die Antwort von Jesus kann man mit einem klaren "Nein" zusammenfassen. Jesus lehnte das damalige Eherecht ab. Dieses übertrug alle Rechte der Ehefrau (hebräisch bə‘ûlāh - Beherrschte) auf ihren Ehemann (hebräisch ba‘al - Herr). Das alte Israel folgt da ganz den Geschlechterverhältnissen der Antike, die im übrigen weitgehend polygam organisiert war. Eine Ehescheidung war eine einfache Sache - aber nur für den Mann! Dies lehnte Jesus ab.

Interessant ist seine Begründung: "Was Gott zusammen gefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden". Jesus erinnert an die Schöpfung und daran, dass Mann und Frau aufeinander hin erschaffen sind. Sie passen zueinander und "es werden die zwei ein Fleisch sein so dass sie nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch." Wie wir es in der zweiten Schöpfungsgeschichte (1. Mose, Kap 2) lesen, wurden wir Menschen als Partnerwesen geschaffen. Jeder Mensch sehnt sich nach einem Gegenüber, das sowohl ihm gleich ist und ihn ergänzt. Von Anfang an hatte Gott das Verhältnis von Mann und Frau als Partnerschaft und nicht als Herrschaftsverhältnis angelegt. Das patriarchale Scheidungsrecht widerspiegelte aber die Macht der Männer über die Frauen. Dies wird von Jesus abgelehnt. Der Mann hat nicht das Recht, seine Frau(en) einfach zu entlassen.

Fazit:

In der gleichen Weise wie man die biblischen Ehen nicht mit den heutigen Ehen vergleichen kann, so wenig lässt sich das scheinbare Scheidungsverbot von Jesus wörtlich auf heute übertragen. Zu seiner Zeit waren eine bis mehrere Frauen einem Ehemann unterstellt. Dieser konnte sich ihrer ohne grossen Aufwand (Scheidebrief) entledigen. Jesu Antwort auf die Fangfrage entbehrt nicht der Ironie: Eine Ehe wird nicht von Gott, sondern von den Eheleuten geschlossen, allenfalls vor Gott. Die Ehe ist „ein äußerlich, weltlich Ding.“ (Martin Luther). Das Schliessen und das Auflösen einer Ehe liegen in der Verantwortung der Eheleute.

Peter Vogelsanger, reformierter Pfarrer in Herblingen

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