SOLA 2021: Eidgenossen – Ein Bericht
Kommst du auch mit? Das trifft sich gut, wir sind nämlich gerade dran, ein neues Bündnis zu schmieden. Wir wollen in Frieden und Freiheit leben und fair miteinander umgehen. Genau so, wie sich das die ersten Eidgenossen ausgedacht haben.
Valentin Huber,
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Samstag – Hinreise
Auf diesen Aufruf hin haben sich an einem Samstag im Juli 26 Kinder und gut 20 Leiter in Schaffhausen versammelt, um zusammen eine Woche SOLA zu erleben. Doch schon vor dem Ankommen mussten erste Vorbereitungen getätigt werden: Weil wir auf der Hinreise durch ungewisses Gebiet reisen mussten, kamen alle in möglichst unauffälligen Kleidern. Wir hofften zwar, dass die Hinreise unterbruchsfrei möglich war, doch schon vor Winterthur stiegen wir aus, weil ein Mitglied der grünen Bande komische Fragen stellte. Wir entschieden uns deshalb, die Grenze ins Gebiet der nächsten Bande zu Fuss zu überschreiten, um weniger Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.
Zum guten Glück konnten wir unterwegs einen Teil unseres Gepäcks an unseren Schmuggler abgeben. Dieser hatte uns auch mit einer ungefähren Karte zur aktuellen Lage versorgt und uns einen Lagerplatz empfohlen. Jetzt konnten wir schneller und unauffälliger reisen und so war die Grenze bald überquert und wir kamen in Winterthur an. Hier teilten wir uns auf, denn kleinere Gruppen ziehen weniger Aufmerksamkeit auf sich.
Beide Gruppen mussten im Verlauf des Nachmittages noch einige Male ihre Pläne ändern, weil ein Durchkommen nicht möglich war, oder gewisse Strecken zu Fuss absolvieren. Die jüngere Gruppe kam schliesslich kurz vor sechs Uhr in Dreien an. Von hier aus war es nur noch eine kurze Strecke bis zum eingezeichneten Lagerplatz und alle waren froh, diese Reise bald hinter sich zu haben.
Doch kurz vor der Ankunft auf dem Platz kam uns der Schmuggler entgegen und berichtete uns von einem Problem: Es hatte sich schon eine andere Gruppe auf dem Platz niedergelassen, den wir ursprünglich als Rückzugsort für unser Lager ausgesucht hatten. Nach einigem Nachdenken und Sich-am-Bart-Kratzen beschlossen wir, einmal einen Spähtrupp auszusenden, um herauszufinden, wie viele und was für Leute das überhaupt waren. Danach sendeten wir eine kleine Delegation aus Kindern und Leitern, um auf diplomatischem Wege Kontakt aufzunehmen. Mutig gingen wir auf diese fremde Gruppe zu, mit dem Rest der Gruppe in der Nähe – falls etwas schief gehen sollte.
Die Gruppe stellte sich als kleines Waldvolk heraus, das schon lange auf diesem Platz lebte. Sie boten uns grosszügigerweise an, eine Nacht auf dem Platz zu übernachten, wenn wir ihnen dafür im Gegenzug bei der Reparatur der Strasse halfen. Erschöpft nahmen wir dieses Angebot dankbar an. Nachdem auch die andere Gruppe auf dem Platz angekommen war stärkten wir uns mit einem wohlverdienten Znacht.
Danach führten wir eine erste Versammlung durch. Eine Versammlung wurde immer dann einberufen, wenn es etwas wirklich wichtiges zu Besprechen gab. Klein und Gross konnten Ideen einbringen, beraten und, falls nötig, über etwas abstimmen. Und an diesem ersten Abend wurden wir uns einig darüber, dass wir dem Waldvolk anbieten möchten, uns zusammenzuschliessen. Es stellte sich nämlich heraus, dass sie grosse Vorräte gelagert hatten, aber Unterstützung in der Verteidigung und im weiteren Ausbau der Lagerinfrastruktur brauchen konnten. Nach einer Abstimmung und einem gegenseitigen Friedenseid war das beschlossene Sache.
Jetzt wartete noch eine spannende Bibelgeschichte und ein Dessert auf die Kinder bevor sie alle zusammen im grossen Gruppenzelt übernachtete – denn sonst stand noch kein Zelt auf dem Platz.
Sonntag/Montag – Aufbau
Und das mit den Zelten beschäftigte uns am nächsten Morgen. In kleinen Gruppen stellten wir unsere Schlafzelte auf. Am Nachmittag ging es dann an weitere Bauten wie zum Beispiel einer Dusche, einer Abwaschstrasse, einer Händewaschstation zum WC und Mülleimern. Parallel dazu überlegten wir uns in kleinen Gruppen, wie wir unsere Gruppe organisieren sollen: Wir erstellten einen Ämtliplan, organisierten eine Nachtwache und bereiteten eine grosse Feuerstelle vor.
Am Montag Morgen weckte uns wie jeden Tag ein Trompeten-Posaunen-Wecker mit anschliessendem gemeinsamen Morgensport. Wir genossen einen leckeren Zmorgen, vorbereitet vom Waldvolk (dass sich – oh Wunder – als herausragenden Kochtrupp herausstellte). Danach hatten wir noch einige letzte Dinge zu bauen, bevor unser Lagerplatz fertig war. Wir installierten eine Wasserrutsche und richteten einen Fahnenmasten auf.
Am Nachmittag kümmerten wir uns um die Dinge, die eine Gesellschaft braucht, um wirklich funktionieren zu können. In drei Gruppen arbeiteten wir eine Verfassung aus, die uns durch das Lager begleitete und in schwierigen Situationen half, die richtige Entscheidung zu treffen. Ausserdem kreierten wir eine Fahne und ein Armband als Erkennungszeichen. Nach dem Znacht versammelten wir uns noch einmal um das grosse Feuer um gemeinsam einen Eid auf unsere Versammlung abzulegen und unsere neu gegründete Eidgenossenschaft zu feiern.
Und so war alles gut. Wir hatten eine abenteuerliche Hinreise hinter uns, uns mit einem anderen Volk zusammengeschlossen, einen Lagerplatz aufgebaut und nun eine Eidgenossenschaft gegründet. Zufrieden und müde gingen wir ins Bett.
Dienstag/Mittwoch – Zweitageswanderung
Doch das wäre auch zu schön gewesen. Denn mitten in der Nacht bekam die Nachtwache eine Nachricht zugemorst. Nach einigem Hin und Her entpuppte sie sich als Hilferuf. Auch wenn es erst kurz nach vier Uhr war, beschlossen sie zusammen mit dem Nachtwachenverantwortlichen, die älteren Kindern für eine Beratung zu wecken. Zusammen beschlossen wir, sofort eine Elitetruppe loszuschicken. Alle anderen sollten noch einmal in den Schlafsack und am Morgen erst losziehen.
Das Problem war, dass der Ort, an dem die Hilfe benötigt wurde, nur sehr ungenau angegeben war. Deshalb schickten wir eine zweite Gruppe in das gleiche Gebiet, um die Suche schneller zu machen. Die anderen Gruppen hatten einen mindestens so wichtigen Auftrag: Sie sollten in die anderen Himmelsrichtungen losziehen und die Umgebung nach verfeindeten Banden absuchen und gleichzeitig Ausschau halten nach weiteren Vorräten – uns war nämlich schon am Abend vorher das Salz ausgegangen.
So zogen die Kinder und Leiter in vier Gruppen los. Unterwegs überwanden sie viele Hindernisse: Wasserfälle, bei denen man sich abseilen musste, Flüsse, die nur mit einem Boot bereist werden konnten, Bäche, in denen gewandert werden musste und vieles mehr. Und auch in der nächsten Nacht kamen wir in Kontakt mit den Hilfesuchenden. Denn die Person, die auch das Morsesignal gesendet hatte, fand am Morgen früh eine der beiden Rettungstruppen. Diese kommunizierte über eine speziell dafür vorher besprochene Art den genauen Ort der verletzten Person an die andere Gruppe. Dort fanden sie zusammen tatsächlich eine verletzte Person. Als Dank für ihre Hilfe bekamen sie genau das, was ihnen gefehlt hatte – Salz.
Auch die anderen Gruppen waren erfolgreich: Niemand sah eine drohende Gefahr. Und sie fanden zusätzlich Salz bzw. ein Auto, dass sie mitnehmen konnten. Zurück auf dem Lagerplatz erzählten alle Gruppen davon, was ihnen passiert ist und wir beschlossen gemeinsam, eine Initiative der Kinder anzunehmen, die am nächsten Tag ein Ausschlafen für alle forderte.
Donnerstag – Erholung
Gut ausgeschlafen setzten wir uns am Donnerstag an den Zmorgentisch um unseren Erholungstag mit einem grossen Brunch zu beginnen. Nachdem alle zum dritten Mal aufgefordert wurden, noch mehr Essen zu holen und alle Bäuche fast platzten zogen wir uns wie jeden Tag in kleine Gruppen zurück, um einen Text in der Bibel zu lesen und darüber zu diskutieren.
Danach legten wir so richtig los mit unserem Erholungsprogramm: Wir bauten eine Sauna, färbten T-Shirts und Socken, machten Henna-Tattoos und Gesichtsmasken und vergnügten uns mit der Wasserrutsche und am Bach. Und weil wir noch zu wenig gegessen hatten, wurde danach der Zvieri serviert.
Doch während die letzten noch ihre Nägel lackierten und Gesichtsmasken abwuschen entdeckten wir plötzlich einige komische Gestalten am Hang gegenüber vom Lagerplatz. Sie trugen schwarze Kapuzenpullover und komplett weisse Masken. Die beiden älteren Zweitäger-Gruppen erinnerten sich bald daran, dass auch die verletzten Personen etwas von einer Bande erzählt hatten, die sie «White-Faces» nannten. Doch bevor wir auch nur in die Nähe dieser Personen kamen, waren sie schon verschwunden.
Wir schickten sofort einen Suchtrupp mit freiwilligen los. Doch auch dieser fand nichts und wir versammelten uns etwas verunsichert zum Znacht. Denn genügend Essen ist wichtig für die Erholung und wir hatten ein richtiges Festessen geplant. Sobald der Znacht und die Ämtli fertig waren genossen wir noch etwas Freizeit vor dem normalen Abendprogramm.
Doch kaum hatten wir mit unseren Spielen begonnen, entdeckten einige der Frisbee-Spieler zwei humpelnde Gestalten an unserem Lagerplatzeingang. Während sie von unseren Sanitätern verarztet wurden erzählten sie uns, dass sie Flüchtlinge waren, denn ihre Gruppe wurde auch von den White-Faces angegriffen und sie konnten gerade noch entkommen. Jetzt waren sie seit mehreren Tagen auf der Flucht und baten uns darum, ihnen Schutz zu gewähren, damit sie sich erholen konnten.
Das forderte natürlich eine sofortige Versammlung, in der heiss diskutiert wurde, was jetzt die weiseste Entscheidung wäre. Dabei musste abgewägt werden, ob wir uns mit der Aufnahme der Flüchtlinge nicht vielleicht selbst gefährdeten. Doch die White-Faces waren anscheinend sowieso daran, das ganze Gebiet einzunehmen und haben uns vielleicht schon mit den Flüchtlingen gesehen, spielte das also wirklich eine Rolle? Die Diskussion wurde immer hitziger, bis der Ammann unsere Verfassung zitierte: Dort drin stand nämlich ganz klar, dass wir Schwächere schützen. Damit war die Abstimmung nur noch Formsache, denn wir alle hatten vor der Versammlung einen Eid auf die Verfassung abgelegt.
Doch das war erst der Anfang. Denn die neue Bedrohung wollte natürlich beantwortet sein. So verstärkten wir die Nachtwache, stellten einen Zaun an alle Eingänge des Lagerplatzes und entschieden, uns am nächsten Tag direkt mit Verteidigungstechniken zu beschäftigen und Kampf und Verteidigungsmanöver zu üben.
Freitag – Verteidigung
Und das machten wir auch. In einem Postenlauf lernten wir, mit welchen Körperteilen man im Kampf vorsichtig sein muss und wie man sich ethisch korrekt verhält. Ausserdem trainierten wir verschiedene Manöver, die uns bei einem etwaigen Angriff einen Vorteil verschaffen sollten. Die Stunden flogen nur so dahin und schon bald war die Zvierizeit gekommen und wir gut vorbereitet.
Doch kaum war ein Völkerball angefangen, ertönte ein Alarm: Einige White-Faces wurden gesehen, wie sie sich auf einen Überfall vorbereiteten. Wir wussten aber dank unseren Vorbereitungen genau, was zu tun war und zogen uns, wie am Morgen geübt, an verschiedene Punkte zurück und versteckten uns. Und kurz danach war es soweit und einige White-Faces stürmten auf den Lagerplatz und waren sehr verwirrt, warum niemand mehr da war. Sie fanden aber einen geschickt deponierten Rucksack mit Süssigkeiten und langten zu. Damit waren sie aber voll in unsere Falle getappt und wir stürmten auf ein Signal hin aus unseren Verstecken und umkreisten sie.
Unsere Übermacht war sofort klar und sie ergaben sich kampflos. Doch das war uns nicht genug. Wir forderten als Schadensersatz alles Essen, dass sie dabeihatten und, weil sie sich noch immer nicht geschlagen gaben, zwangen wir ihren Chef, die Maske abzuziehen und verbrannten sie vor den erschrockenen Augen der White-Faces. Damit wollten wir ihnen zeigen, dass mit uns nicht zu spassen war. Danach wurden sie vom Lagerplatz begleitet und mit grossem Geschrei verjagt.
Wir trafen uns noch einmal in einer Versammlung und beschlossen, dass dieser Sieg gefeiert werden muss. Das erbeutete Essen wurde vom Waldvolk zubereitet und wir bastelten eine Dekoration und trugen die Tische aus dem Gruppenzelt um die Feuerstelle. Eine Gruppe plante das traditionelle Theater am Schluss vom Lager, einen Tanz und ein Spiel.
Das Fest entwickelte sich zu einem grossen Highlight im Lager: Es gab Burger bis die Ohren wackelten und dann noch einen Dessert hinterher, von dem es so viel hatte, dass wir die Resten zum Zmorgen essen mussten. Und auch sonst war es ein Fest – wir redeten, lachten, sangen, tanzten, und feierten unseren Sieg.
Freitag Nacht – Verteidigung zum Zweiten
Doch wir hatten uns zu früh gefreut. Um kurz nach vier Uhr ertönte es – das Neunhorn – unser Signal, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht und wir uns in einem Verteidigungskreis versammeln. Also haben wir die Schuhe angezogen, die Taschenlampe eingesteckt und sind zum Kreis gerannt. Und dort haben wir schon gesehen, um was es geht: Oben an der Felswand an der Seite vom Lagerplatz standen sie. Oder mindestens ahnten wir das, denn wir sahen Fackeln. Viel mehr, als wir am Nachmittag White-Faces vertrieben haben. Also bildeten wir unseren Kreis und warteten. Und nach einigen Minuten angestrengtem Ins-Dunkel-Starren sahen wir sie kommen. Und tatsächlich, es waren fast dreimal so viele.
Sie bildeten einen grossen Kreis um uns und die Chefin – nun ohne Maske – verhöhnte uns. Das könnten sie nicht auf sich sitzen lassen. Und sie seien sowieso stärker. Doch damit waren wir nicht einverstanden. Also machten wir mit ihnen einen fairen Kampf ab: Ohne Waffen, alle Fackeln ins grosse Feuer der Nachtwache und gekämpft wird nur, bis man aufgibt und gefangen genommen wird.
Die Vorbereitungen waren schnell vollendet und wir versammelten uns gegenüber von den White-Faces. Ein letztes Mal durchschnaufen, Luft holen, einen grossen Kampfschrei loslassen und auf ging's. Und es war ein Anblick, im Licht des durch die Fackeln vergrösserten Lagerfeuers und der Taschenlampen. Es wurde gekämpft und gerungen und schon sehr bald wurden die ersten Rufe laut: «Ich habe einen, ich brauche ein Seil!», «Wer hat noch Kabelbinder?!», «Hier ist noch einer auf dem Boden!»
Es zeichnete sich bald ein klarer Sieg ab und wir konnten alle Angreifer fesseln und neben das Feuer bringen um sie zu verhören. Doch im Gegensatz zum Nachmittag vorher behandelten wir unsere Gefangenen nun nach unserer Verfassung: Sie bekamen Wasser, wurden falls nötig von unseren Sanitätern versorgt und konnten sich erholen.
In dieser Zeit versammelten wir uns noch ein letztes Mal um zu bereden, was wir mit den Angreifern machen sollen. Wir beschlossen, sie vor die Wahl zu stellen: Sie können sich uns anschliessen oder aus der Region verschwinden. Aber sie müssen alle die Masken ausziehen und versprechen, nie wieder aufzutauchen.
Und so überlebten wir auch den zweiten Überfall, ohne auf beiden Seiten ernsthafte Verletzungen beklagen zu müssen und genau so, wie wir das geübt hatten.
Samstag – Abbau
Wir hatten gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war, denn es war schon die Dämmerung angebrochen und es lohnte sich nicht mehr, ins Bett zu gehen. So beschlossen wir, direkt mit dem Abbau zu beginnen. Und all das, was wir in fast zwei Tagen aufgebaut hatten, war innerhalb von Stunden zusammengebrochen, geputzt und auf die Transporter verladen.
Zwischendurch gab es noch einen wohlverdienten Zmittag und dann machten wir uns schon bald auf die Heimreise, diesmal ganz langweilig und ereignislos. Und nach der Verabschiedung in Schaffhausen war das ganze Lager schon wieder fertig und damit auch mein Bericht über die Geschichte, die wir zusammen erlebt haben.
Daneben erlebten wir ganz viel anderes zusammen: Abenteuer, Feste, gemeinsames Singen, Essen, Wandern, Kämpfen, Nachdenken und Erholen. Spiele, Geschichten, Feuer, Versammlungen, Theater, Zelte-Bauen, Rutschbahn-Rutschen, Ämtli-Machen, Morgensport und alles andere, was ein Lager ausmacht. Mir hat diese Woche super viel Spass gemacht und ich habe mich sehr gefreut, mit all den Leitern und Teilnehmern diese Abenteuer zu erleben.
Und, wenn du jetzt schon wieder Lust auf das nächste Lager hast: Das SOLA 2022 findet vom 30. Juli bis zum 6. August statt und wir würden uns freuen, dich dabei zu haben! Die Details findest du, sobald sie öffentlich sind, wie immer auf » sola-klettgau.ch.
Samstag – Hinreise
Auf diesen Aufruf hin haben sich an einem Samstag im Juli 26 Kinder und gut 20 Leiter in Schaffhausen versammelt, um zusammen eine Woche SOLA zu erleben. Doch schon vor dem Ankommen mussten erste Vorbereitungen getätigt werden: Weil wir auf der Hinreise durch ungewisses Gebiet reisen mussten, kamen alle in möglichst unauffälligen Kleidern. Wir hofften zwar, dass die Hinreise unterbruchsfrei möglich war, doch schon vor Winterthur stiegen wir aus, weil ein Mitglied der grünen Bande komische Fragen stellte. Wir entschieden uns deshalb, die Grenze ins Gebiet der nächsten Bande zu Fuss zu überschreiten, um weniger Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.
Zum guten Glück konnten wir unterwegs einen Teil unseres Gepäcks an unseren Schmuggler abgeben. Dieser hatte uns auch mit einer ungefähren Karte zur aktuellen Lage versorgt und uns einen Lagerplatz empfohlen. Jetzt konnten wir schneller und unauffälliger reisen und so war die Grenze bald überquert und wir kamen in Winterthur an. Hier teilten wir uns auf, denn kleinere Gruppen ziehen weniger Aufmerksamkeit auf sich.
Beide Gruppen mussten im Verlauf des Nachmittages noch einige Male ihre Pläne ändern, weil ein Durchkommen nicht möglich war, oder gewisse Strecken zu Fuss absolvieren. Die jüngere Gruppe kam schliesslich kurz vor sechs Uhr in Dreien an. Von hier aus war es nur noch eine kurze Strecke bis zum eingezeichneten Lagerplatz und alle waren froh, diese Reise bald hinter sich zu haben.
Doch kurz vor der Ankunft auf dem Platz kam uns der Schmuggler entgegen und berichtete uns von einem Problem: Es hatte sich schon eine andere Gruppe auf dem Platz niedergelassen, den wir ursprünglich als Rückzugsort für unser Lager ausgesucht hatten. Nach einigem Nachdenken und Sich-am-Bart-Kratzen beschlossen wir, einmal einen Spähtrupp auszusenden, um herauszufinden, wie viele und was für Leute das überhaupt waren. Danach sendeten wir eine kleine Delegation aus Kindern und Leitern, um auf diplomatischem Wege Kontakt aufzunehmen. Mutig gingen wir auf diese fremde Gruppe zu, mit dem Rest der Gruppe in der Nähe – falls etwas schief gehen sollte.
Die Gruppe stellte sich als kleines Waldvolk heraus, das schon lange auf diesem Platz lebte. Sie boten uns grosszügigerweise an, eine Nacht auf dem Platz zu übernachten, wenn wir ihnen dafür im Gegenzug bei der Reparatur der Strasse halfen. Erschöpft nahmen wir dieses Angebot dankbar an. Nachdem auch die andere Gruppe auf dem Platz angekommen war stärkten wir uns mit einem wohlverdienten Znacht.
Danach führten wir eine erste Versammlung durch. Eine Versammlung wurde immer dann einberufen, wenn es etwas wirklich wichtiges zu Besprechen gab. Klein und Gross konnten Ideen einbringen, beraten und, falls nötig, über etwas abstimmen. Und an diesem ersten Abend wurden wir uns einig darüber, dass wir dem Waldvolk anbieten möchten, uns zusammenzuschliessen. Es stellte sich nämlich heraus, dass sie grosse Vorräte gelagert hatten, aber Unterstützung in der Verteidigung und im weiteren Ausbau der Lagerinfrastruktur brauchen konnten. Nach einer Abstimmung und einem gegenseitigen Friedenseid war das beschlossene Sache.
Jetzt wartete noch eine spannende Bibelgeschichte und ein Dessert auf die Kinder bevor sie alle zusammen im grossen Gruppenzelt übernachtete – denn sonst stand noch kein Zelt auf dem Platz.
Sonntag/Montag – Aufbau
Und das mit den Zelten beschäftigte uns am nächsten Morgen. In kleinen Gruppen stellten wir unsere Schlafzelte auf. Am Nachmittag ging es dann an weitere Bauten wie zum Beispiel einer Dusche, einer Abwaschstrasse, einer Händewaschstation zum WC und Mülleimern. Parallel dazu überlegten wir uns in kleinen Gruppen, wie wir unsere Gruppe organisieren sollen: Wir erstellten einen Ämtliplan, organisierten eine Nachtwache und bereiteten eine grosse Feuerstelle vor.
Am Montag Morgen weckte uns wie jeden Tag ein Trompeten-Posaunen-Wecker mit anschliessendem gemeinsamen Morgensport. Wir genossen einen leckeren Zmorgen, vorbereitet vom Waldvolk (dass sich – oh Wunder – als herausragenden Kochtrupp herausstellte). Danach hatten wir noch einige letzte Dinge zu bauen, bevor unser Lagerplatz fertig war. Wir installierten eine Wasserrutsche und richteten einen Fahnenmasten auf.
Am Nachmittag kümmerten wir uns um die Dinge, die eine Gesellschaft braucht, um wirklich funktionieren zu können. In drei Gruppen arbeiteten wir eine Verfassung aus, die uns durch das Lager begleitete und in schwierigen Situationen half, die richtige Entscheidung zu treffen. Ausserdem kreierten wir eine Fahne und ein Armband als Erkennungszeichen. Nach dem Znacht versammelten wir uns noch einmal um das grosse Feuer um gemeinsam einen Eid auf unsere Versammlung abzulegen und unsere neu gegründete Eidgenossenschaft zu feiern.
Und so war alles gut. Wir hatten eine abenteuerliche Hinreise hinter uns, uns mit einem anderen Volk zusammengeschlossen, einen Lagerplatz aufgebaut und nun eine Eidgenossenschaft gegründet. Zufrieden und müde gingen wir ins Bett.
Dienstag/Mittwoch – Zweitageswanderung
Doch das wäre auch zu schön gewesen. Denn mitten in der Nacht bekam die Nachtwache eine Nachricht zugemorst. Nach einigem Hin und Her entpuppte sie sich als Hilferuf. Auch wenn es erst kurz nach vier Uhr war, beschlossen sie zusammen mit dem Nachtwachenverantwortlichen, die älteren Kindern für eine Beratung zu wecken. Zusammen beschlossen wir, sofort eine Elitetruppe loszuschicken. Alle anderen sollten noch einmal in den Schlafsack und am Morgen erst losziehen.
Das Problem war, dass der Ort, an dem die Hilfe benötigt wurde, nur sehr ungenau angegeben war. Deshalb schickten wir eine zweite Gruppe in das gleiche Gebiet, um die Suche schneller zu machen. Die anderen Gruppen hatten einen mindestens so wichtigen Auftrag: Sie sollten in die anderen Himmelsrichtungen losziehen und die Umgebung nach verfeindeten Banden absuchen und gleichzeitig Ausschau halten nach weiteren Vorräten – uns war nämlich schon am Abend vorher das Salz ausgegangen.
So zogen die Kinder und Leiter in vier Gruppen los. Unterwegs überwanden sie viele Hindernisse: Wasserfälle, bei denen man sich abseilen musste, Flüsse, die nur mit einem Boot bereist werden konnten, Bäche, in denen gewandert werden musste und vieles mehr. Und auch in der nächsten Nacht kamen wir in Kontakt mit den Hilfesuchenden. Denn die Person, die auch das Morsesignal gesendet hatte, fand am Morgen früh eine der beiden Rettungstruppen. Diese kommunizierte über eine speziell dafür vorher besprochene Art den genauen Ort der verletzten Person an die andere Gruppe. Dort fanden sie zusammen tatsächlich eine verletzte Person. Als Dank für ihre Hilfe bekamen sie genau das, was ihnen gefehlt hatte – Salz.
Auch die anderen Gruppen waren erfolgreich: Niemand sah eine drohende Gefahr. Und sie fanden zusätzlich Salz bzw. ein Auto, dass sie mitnehmen konnten. Zurück auf dem Lagerplatz erzählten alle Gruppen davon, was ihnen passiert ist und wir beschlossen gemeinsam, eine Initiative der Kinder anzunehmen, die am nächsten Tag ein Ausschlafen für alle forderte.
Donnerstag – Erholung
Gut ausgeschlafen setzten wir uns am Donnerstag an den Zmorgentisch um unseren Erholungstag mit einem grossen Brunch zu beginnen. Nachdem alle zum dritten Mal aufgefordert wurden, noch mehr Essen zu holen und alle Bäuche fast platzten zogen wir uns wie jeden Tag in kleine Gruppen zurück, um einen Text in der Bibel zu lesen und darüber zu diskutieren.
Danach legten wir so richtig los mit unserem Erholungsprogramm: Wir bauten eine Sauna, färbten T-Shirts und Socken, machten Henna-Tattoos und Gesichtsmasken und vergnügten uns mit der Wasserrutsche und am Bach. Und weil wir noch zu wenig gegessen hatten, wurde danach der Zvieri serviert.
Doch während die letzten noch ihre Nägel lackierten und Gesichtsmasken abwuschen entdeckten wir plötzlich einige komische Gestalten am Hang gegenüber vom Lagerplatz. Sie trugen schwarze Kapuzenpullover und komplett weisse Masken. Die beiden älteren Zweitäger-Gruppen erinnerten sich bald daran, dass auch die verletzten Personen etwas von einer Bande erzählt hatten, die sie «White-Faces» nannten. Doch bevor wir auch nur in die Nähe dieser Personen kamen, waren sie schon verschwunden.
Wir schickten sofort einen Suchtrupp mit freiwilligen los. Doch auch dieser fand nichts und wir versammelten uns etwas verunsichert zum Znacht. Denn genügend Essen ist wichtig für die Erholung und wir hatten ein richtiges Festessen geplant. Sobald der Znacht und die Ämtli fertig waren genossen wir noch etwas Freizeit vor dem normalen Abendprogramm.
Doch kaum hatten wir mit unseren Spielen begonnen, entdeckten einige der Frisbee-Spieler zwei humpelnde Gestalten an unserem Lagerplatzeingang. Während sie von unseren Sanitätern verarztet wurden erzählten sie uns, dass sie Flüchtlinge waren, denn ihre Gruppe wurde auch von den White-Faces angegriffen und sie konnten gerade noch entkommen. Jetzt waren sie seit mehreren Tagen auf der Flucht und baten uns darum, ihnen Schutz zu gewähren, damit sie sich erholen konnten.
Das forderte natürlich eine sofortige Versammlung, in der heiss diskutiert wurde, was jetzt die weiseste Entscheidung wäre. Dabei musste abgewägt werden, ob wir uns mit der Aufnahme der Flüchtlinge nicht vielleicht selbst gefährdeten. Doch die White-Faces waren anscheinend sowieso daran, das ganze Gebiet einzunehmen und haben uns vielleicht schon mit den Flüchtlingen gesehen, spielte das also wirklich eine Rolle? Die Diskussion wurde immer hitziger, bis der Ammann unsere Verfassung zitierte: Dort drin stand nämlich ganz klar, dass wir Schwächere schützen. Damit war die Abstimmung nur noch Formsache, denn wir alle hatten vor der Versammlung einen Eid auf die Verfassung abgelegt.
Doch das war erst der Anfang. Denn die neue Bedrohung wollte natürlich beantwortet sein. So verstärkten wir die Nachtwache, stellten einen Zaun an alle Eingänge des Lagerplatzes und entschieden, uns am nächsten Tag direkt mit Verteidigungstechniken zu beschäftigen und Kampf und Verteidigungsmanöver zu üben.
Freitag – Verteidigung
Und das machten wir auch. In einem Postenlauf lernten wir, mit welchen Körperteilen man im Kampf vorsichtig sein muss und wie man sich ethisch korrekt verhält. Ausserdem trainierten wir verschiedene Manöver, die uns bei einem etwaigen Angriff einen Vorteil verschaffen sollten. Die Stunden flogen nur so dahin und schon bald war die Zvierizeit gekommen und wir gut vorbereitet.
Doch kaum war ein Völkerball angefangen, ertönte ein Alarm: Einige White-Faces wurden gesehen, wie sie sich auf einen Überfall vorbereiteten. Wir wussten aber dank unseren Vorbereitungen genau, was zu tun war und zogen uns, wie am Morgen geübt, an verschiedene Punkte zurück und versteckten uns. Und kurz danach war es soweit und einige White-Faces stürmten auf den Lagerplatz und waren sehr verwirrt, warum niemand mehr da war. Sie fanden aber einen geschickt deponierten Rucksack mit Süssigkeiten und langten zu. Damit waren sie aber voll in unsere Falle getappt und wir stürmten auf ein Signal hin aus unseren Verstecken und umkreisten sie.
Unsere Übermacht war sofort klar und sie ergaben sich kampflos. Doch das war uns nicht genug. Wir forderten als Schadensersatz alles Essen, dass sie dabeihatten und, weil sie sich noch immer nicht geschlagen gaben, zwangen wir ihren Chef, die Maske abzuziehen und verbrannten sie vor den erschrockenen Augen der White-Faces. Damit wollten wir ihnen zeigen, dass mit uns nicht zu spassen war. Danach wurden sie vom Lagerplatz begleitet und mit grossem Geschrei verjagt.
Wir trafen uns noch einmal in einer Versammlung und beschlossen, dass dieser Sieg gefeiert werden muss. Das erbeutete Essen wurde vom Waldvolk zubereitet und wir bastelten eine Dekoration und trugen die Tische aus dem Gruppenzelt um die Feuerstelle. Eine Gruppe plante das traditionelle Theater am Schluss vom Lager, einen Tanz und ein Spiel.
Das Fest entwickelte sich zu einem grossen Highlight im Lager: Es gab Burger bis die Ohren wackelten und dann noch einen Dessert hinterher, von dem es so viel hatte, dass wir die Resten zum Zmorgen essen mussten. Und auch sonst war es ein Fest – wir redeten, lachten, sangen, tanzten, und feierten unseren Sieg.
Freitag Nacht – Verteidigung zum Zweiten
Doch wir hatten uns zu früh gefreut. Um kurz nach vier Uhr ertönte es – das Neunhorn – unser Signal, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht und wir uns in einem Verteidigungskreis versammeln. Also haben wir die Schuhe angezogen, die Taschenlampe eingesteckt und sind zum Kreis gerannt. Und dort haben wir schon gesehen, um was es geht: Oben an der Felswand an der Seite vom Lagerplatz standen sie. Oder mindestens ahnten wir das, denn wir sahen Fackeln. Viel mehr, als wir am Nachmittag White-Faces vertrieben haben. Also bildeten wir unseren Kreis und warteten. Und nach einigen Minuten angestrengtem Ins-Dunkel-Starren sahen wir sie kommen. Und tatsächlich, es waren fast dreimal so viele.
Sie bildeten einen grossen Kreis um uns und die Chefin – nun ohne Maske – verhöhnte uns. Das könnten sie nicht auf sich sitzen lassen. Und sie seien sowieso stärker. Doch damit waren wir nicht einverstanden. Also machten wir mit ihnen einen fairen Kampf ab: Ohne Waffen, alle Fackeln ins grosse Feuer der Nachtwache und gekämpft wird nur, bis man aufgibt und gefangen genommen wird.
Die Vorbereitungen waren schnell vollendet und wir versammelten uns gegenüber von den White-Faces. Ein letztes Mal durchschnaufen, Luft holen, einen grossen Kampfschrei loslassen und auf ging's. Und es war ein Anblick, im Licht des durch die Fackeln vergrösserten Lagerfeuers und der Taschenlampen. Es wurde gekämpft und gerungen und schon sehr bald wurden die ersten Rufe laut: «Ich habe einen, ich brauche ein Seil!», «Wer hat noch Kabelbinder?!», «Hier ist noch einer auf dem Boden!»
Es zeichnete sich bald ein klarer Sieg ab und wir konnten alle Angreifer fesseln und neben das Feuer bringen um sie zu verhören. Doch im Gegensatz zum Nachmittag vorher behandelten wir unsere Gefangenen nun nach unserer Verfassung: Sie bekamen Wasser, wurden falls nötig von unseren Sanitätern versorgt und konnten sich erholen.
In dieser Zeit versammelten wir uns noch ein letztes Mal um zu bereden, was wir mit den Angreifern machen sollen. Wir beschlossen, sie vor die Wahl zu stellen: Sie können sich uns anschliessen oder aus der Region verschwinden. Aber sie müssen alle die Masken ausziehen und versprechen, nie wieder aufzutauchen.
Und so überlebten wir auch den zweiten Überfall, ohne auf beiden Seiten ernsthafte Verletzungen beklagen zu müssen und genau so, wie wir das geübt hatten.
Samstag – Abbau
Wir hatten gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war, denn es war schon die Dämmerung angebrochen und es lohnte sich nicht mehr, ins Bett zu gehen. So beschlossen wir, direkt mit dem Abbau zu beginnen. Und all das, was wir in fast zwei Tagen aufgebaut hatten, war innerhalb von Stunden zusammengebrochen, geputzt und auf die Transporter verladen.
Zwischendurch gab es noch einen wohlverdienten Zmittag und dann machten wir uns schon bald auf die Heimreise, diesmal ganz langweilig und ereignislos. Und nach der Verabschiedung in Schaffhausen war das ganze Lager schon wieder fertig und damit auch mein Bericht über die Geschichte, die wir zusammen erlebt haben.
Daneben erlebten wir ganz viel anderes zusammen: Abenteuer, Feste, gemeinsames Singen, Essen, Wandern, Kämpfen, Nachdenken und Erholen. Spiele, Geschichten, Feuer, Versammlungen, Theater, Zelte-Bauen, Rutschbahn-Rutschen, Ämtli-Machen, Morgensport und alles andere, was ein Lager ausmacht. Mir hat diese Woche super viel Spass gemacht und ich habe mich sehr gefreut, mit all den Leitern und Teilnehmern diese Abenteuer zu erleben.
Und, wenn du jetzt schon wieder Lust auf das nächste Lager hast: Das SOLA 2022 findet vom 30. Juli bis zum 6. August statt und wir würden uns freuen, dich dabei zu haben! Die Details findest du, sobald sie öffentlich sind, wie immer auf » sola-klettgau.ch.