Täuferversteck: Seniorenausflug Gächlingen und Neunkirch

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Seniorenausflug 2007 (Foto: Beatrix Niklaus)
Ins Keuchen kamen die Klettgauer Senioren, als sie den stotzigen Weg zum Täuferhof "Hinter Hütten" erstiegen:
Am 19. Juli reisten die Senioren der reformierten Kirchgemeinden Gächlingen und Neunkirch ins Emmental.
Fritz Lerch
Am Donnerstag, dem 19. Juli stand um halb acht Uhr der grosse Car von Huber-Carreisen vor der Post in Gächlingen und zahlreiche Teilnehmer (jeden Alters!) stiegen ein. Pünktlich startete er nach Neunkirch, wo er sich dann bis auf einen verbliebenen Platz füllte.

Nach einem längeren Stau vor dem Zoll in Koblenz und nach vielen Baustellen näherten wir uns mit etwas Verspätung aber dafür um so gluschtiger dem Kaffeehalt in Mauensee, wo wir mit Gipfeli und Kaffee und einem wunderbaren Blick auf den See belohnt wurden. So konnten wir der Führung im Schloss Trachselwald gelassen entgegensehen.

Dieses Schloss hatte es dann wirklich in sich. Unsere Reise hatte ja das Thema „Täuferjahr im Emmental“ und die Führerin im Schloss, Frau Sommer, ging ausführlich darauf ein. Sie zeigte uns die Zellen, wo die Täufer, so zum Beispiel auch Christen Fankhauser aus Hinter Güllen (siehe weiter unten), oder der sogenannte Haslibacher geschmachtet hatten. Diese Zellen sind aus Holz mit nur einem Bett und einem kleinen Ofen im grossen, dickmauerigen Turm ohne Fenster.

Der Haslibacher – Hans Haslebacher, genannt nach seinem Hofe – wurde als letzter bernischer Täufer am 20. Oktober 1571 in Bern hingerichtet. Er war ein geschickter Psychologe, denn er prophezeite seinen Henkern und Folterknechten, dass er der letzte hingerichtete Täufer sein werde, dass er sie im Tod noch auslachen und dass das Wasser aus dem Brunnen zu Blut werde. Nach der Legende traten alle diese Zeichen ein und die bernische Obrigkeit liess keine weiteren Täufer mehr hinrichten. Ein Zeitgenosse, ebenfalls Täufer, dichtete danach das 32 strophige „Halisbacher-Lied“, das von den amerikanischen Täufern immer noch gesungen wird. Letztere waren es auch, die in Schloss Trachselwald immer wieder auftauchten und Bescheid wissen wollten über das Schicksal ihrer Vorfahren.

Frau Sommer liess auch das weitere Schicksal der bernischen Täufer – Verbannungen, Galeerenstrafen, Enteignungen etc. - vor uns Revue passieren.

Aber auch andere geschichtliche Ereignisse liess sie kurz aufblitzen:
• Den bernischen Bauernkrieg von 1653 mit Niklaus Leuenberger als einem der drei Anführer. Dessen Zelle ist auch vorhanden mit allen Folterwerkzeugen (Fussblock, Handketten, Loch im – zu kleinen – Holzb(r)ett etc.).
• Oder die Geschichte der Entstehung der bernischen Amtsbezirke aus den ehemaligen Landvogteien mit der Zwischenstation des Oberamtmanns und dem heutigen Regierungsstatthalter.
• Schloss Trachselwald ist – noch – Sitz des Statthalteramts bis etwa 2010. Gemäss letztjährigem Reorganisationsentscheid wird der Amtsbezirk Trachselwald aufgehoben und dem Amt Burgdorf angegliedert. Was mit dem Schloss passiert ist noch ungewiss.
• Das Wirken von Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf, der auf dem Schloss 1835 eine Armenerziehungsanstalt gründete und bis zu seinem Tod leitete. Später wurde daraus eine Zwangserziehungsanstalt, zu deren Zöglingen auch der Schriftsteller Carl Albert Loosli gehörte.
• Den Schriftsteller Ernst Gfeller, nach dessen Romandorf eine ganze Talschaft in Heimisbach (vorher Dürrgraben) umgetauft wurde. Heimisbach gehört zur Gemeinde Trachselwald.
• Den Berndeutsch-Forscher Emanuel Friedli. Auch er war ein Zögling, allerdings der Armenerziehungsanstalt von Jeremias Gotthelf, welcher ihn noch taufte. Friedli erforschte die verschiedenen Dialekte im Kanton Bern und der erste Band behandelte die Gemeinde Lützelflüh. Er schrieb sieben dickleibige Bände, die ausser den Dialekten auch sonstige Volksbräuche behandelten, insgesamt also eine erstaunliche Lebensleistung.
• Und und und: Vielen Dank Frau Sommer.

Eine Gruppe der nicht so „Beweglichen“ blieb unten im Hof des Schlosses, wo sie ein bisschen ruhen und miteinander schwatzen konnten.

Nach gut 1 ½ Stunden (vorgesehen war 1 Stunde) wurden wir entlassen zum Mittagessen in den Bären Sumiswald. Dieser hat eine eigene Geschichte. In der „Schwarzen Spinne“ von Jeremias Gotthelf steht:

„Als in der Kirche und auf dem Kirchhofe viele Tränen geflossen, viele Gebete geschehen waren, gingen alle aus der ganzen Talschaft, welche zum Begräbnis gekommen waren – und gekommen waren alle, die ihrer Glieder mächtig waren – zum üblichen Imbiss ins Wirtshaus. Da geschah es nun, dass wie üblich Weiber und Kinder an einem eigenen Tisch sassen, die sämtliche erwachsene Mannschaft aber Platz hatte an dem berühmten Scheibentische, der jetzt noch im „Bären“ zu Sumiswald zu sehen ist. Er ward aufbewahret zum Andenken, dass einst nur noch zwei Dutzend Männer waren, wo jetzt Tausende wohnen, zum Andenken, dass auch das Leben der Zweitausende in der Hand dessen stehe, der die zwei Dutzend gerettet.“

Dieser Tisch ist auch jetzt noch zu sehen und der Anblick jagt einem einen leichten Schauder über den Rücken. Die Novelle „die schwarze Spinne“ handelt von der Pest in und um Sumiswald.

Nach dem schönen Kanon „Danket danket dem Herrn, denn er ist sehr freundlich. Seine Güt’ und Wahrheit währet ewiglich.“, der von Frau Pfarrer Stettler geleitet leidlich klang, konnten wir unsere hungrigen Mägen endlich befriedigen mit einem wohlschmeckenden und ausgiebigen Mittagessen.

Und schon wieder waren wir unterwegs zu unserem nächsten Ziel, dem Hof „hinter Hütten“, der nun wirklich im hintersten (Hütten)graben zu finden ist, mit direktem Blick zum Nideräntzi, dem westlichen Nachbarhoger in der Kette zum Napf, über den die bernisch-/luzernische Grenze verläuft.

Vorher passierten wir aber unter viel Gesang noch das Kerngebiet des Emmentals mit Langnau und Trubschachen und Trub und Fankhaus, eine wahre Augenfreude. Und endlich dort hinten angekommen, wo sich Hase und Fuchs gute Nacht sagen und wo wir, aus dem Car gestiegen, vorerst ein steiles Stück Wegs zu passieren hatten, bis wir den Hof erreichten, dort wurden wir wieder von einer fachkundigen Frau Regula Fankhauser-Jungi empfangen und – sehr ausführlich und interessant - in die Geheimnisse des „Täuferverstecks“ eingeweiht.


Sie gab zuerst einiges aus dem eigenen Lebenslauf und aus dem heutigen Geschehen auf dem Hof bekannt. Als Baslerin - mit einer langen Ferienhausbekanntschaft am Ort - lernte sie hier ihren heutigen Mann kennen und zog nach der Heirat in dieses einsame Tal. Die Familie hat drei kleine Kinder. Sie hat den Hof modernisiert und den Nachbarhof dazu erworben, wo heute die Kühe zuhause sind. So haben sie Platz bekommen für die heutige Ausstellung.

Dann aber erzählte die verblüffend gut Bescheid wissende junge Frau, was damals geschah, als ihr Hof die verfolgten Täufer aufnehmen musste. Als der Besitzer Christen Fankhauser, selbst ein bekennender Täufer, das Täuferversteck einrichtete. Er wurde verfolgt und inhaftiert, enteignet und deportiert. Er kam dann wieder frei und tauchte auf dem Hof seines nun als Pächter wirkenden Sohnes Peter auf. Diesem wurde nach dem Tod seines Vaters der Hof wieder übergeben. Die Familie Fankhauser ist seither ununterbrochen - seit 12 Generationen - Besitzer und Bewirtschafter.

Die Wurzeln des Täufertums wurden uns dargelegt. Im Trubertal stammen sie wohl von dem Benediktinerkloster Trub her, welches seit Urzeiten im Tal missioniert und die Seelsorge ausgeübt hatte. Es wurde nach der Reformation sofort aufgehobenen, und die gnädigen Herrn in Bern erzwangen überall den Glaubenswechsel. Für die bedächtigen Bauernfamilien wirkte das alles wie ein Schock. Auch die etwas später erschienen Waldenser trugen zu der ausserordentlichen Frömmigkeit bei. Das Täufertum erscheint so wie ein Protest gegen die aufgezwungenen Neuerungen im Glauben. Es verbreitete sich von Zürich her in der ganzen Deutschschweiz und wurde überall bekämpft. Vor allem die Grundsätze der Verweigerung der Eidesablegung, der Kindestaufe und des Waffentragens waren Gründe für die Verfolgung. Die einzigen Gegenden in der Schweiz, wo es sich halten konnte, sind das Emmental und die Jurahöhen.

Als immer mehr amerikanische Täufer nach Europa kamen und ihre Wurzeln entdecken wollten, suchten sie auch „hinter Hütten“ mit dem Täuferversteck auf. Damit wurden die Fankhausers zu Leuten, die Auskunft wissen und ihr Wissen den Amerikanern vermitteln sollten. Die junge Frau Fankhauser, eben neu auf dem Hof, widmete sich dieser Aufgabe und lernte die ganze Geschichte aus den Quellen, teilweise auch durch eigene und fremde Forschung, neu kennen. Sie richtete auch eine Ausstellung ein und betrieb Ahnenforschung.

Das Täuferversteck wurde besichtigt, die Entstehung des Hofes mit den verschiedenen Modernisierungsschritten anhand eines Modells verfolgt und die Ausstellung ganz kurz bewundert. Der Spycher wurde zu einem Laden umgestaltet, wo weiterführende Literatur – auch in Englisch! – zu haben ist, aber auch Produkte des Hofes und der Nachbarn verkauft werden. Eine ganz erstaunliche Erfolgsstory, die noch lange nicht zu Ende ist. Vielen Dank an Frau Fankhauser.

Nachdem wir nun (fast) alles über das bernische Täufertum erfahren hatten (viel mehr als hier zu lesen ist), bestiegen wir den Car zu letzten Etappe unserer Reise. Und wie wenn der Himmel darauf gewartet hätte, dass wir endlich unser Programm absolviert hätten, begann es leise zu regnen und wurde trüber und trüber. Aber erst als wir im Eigenthaler Hof vor den Tellern sassen, begann es wirklich zu schütten und als wir satt wieder zum Car schritten war es beinahe schon wieder trocken, fast ein Wunder!

Die Familie Bühler im Eigenthaler Hof wirtete früher im Babental und Frau Bühler erkannte die eine oder den anderen sofort wieder. Ihr Sohn und die Schwiegertochter sind sehr mitengagiert. Nach einem kurzen Gebet klappte der Service denn auch hervorragend und jede(r) kam zu ihrem/seinem Wunschteller.

Und so brachte uns der hervorragende Chauffeur Gerhard Artho nach einiger Zeit, zwar mit etwas Verspätung, aber heil und zufrieden, zwar etwas müde, aber voller neuer Eindrücke, wieder nach Hause. Vielen Dank an ihn.

Auch die perfekte Organisation und Begleitung durch die Pfarrerfamilie Stettler, Jeanette Kraft und Margrit Wildberger sind hervorzuheben. Sie und auch die begleitende Spitexpflegerin Sonja Neuenschwander verdienen unseren besten Dank.

Seniorenausflug 2007
03.08.2007
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