Kirche erlebt in Amsterdam - Konventsreise April 2018
Auf der Konventsreise nach Amsterdam erlebten wir Kirche auf besondere Art. Angekündigt war ein Land und vor allem eine Stadt, in der Kirche statistisch gesehen eine verschwindende Grösse ist.
Frieder Tramer,
Unser Holland- und Amsterdam-kundiger Kollege sprach bezüglich Amsterdam von 2-3% Protestanten. Im Gegensatz dazu trafen wir auf lebendiges kirchliches Leben: vielfältig, kraftvoll, engagiert, reflektiert. Wir erlebten Gottesdienste, die von Hunderten von Menschen besucht wurden; die grosse Kirche war voll geselligen Lebens, zum Mitsingen einladender Musik, abwechslungsreicher Liturgie. Der Gottesdienst brachte Alte und Junge zusammen, war einladend, aber nicht vereinnahmend.
Wir sprachen mit Kirchenleuten, die selbstbewusst auftraten. Offensichtlich waren sie in ihrem kirchlichen Engagement nicht angefochten durch die gesellschaftliche Minderheiten-Situation. Kommunitäres Leben und diakonisches Wirken im Rotlichtmilieu oder in einer riesigen Agglo-Stadt; ein einfaches mit Stil eingerichtetes Café-Restaurant mit sozialen Preisen, eine Beratungsstelle für sans-papier – das waren Orte von Kirche in der Stadt. Viele grosse Kirchen(gebäude) sind längst verkauft und umfunktioniert. In zwei davon assen wir zu Nacht. Beide machen als Restaurants gute Umsätze. Das zweite – wir sassen auf der Empore – heisst ironischerweise „Bazar“, eine andere Interpretation des Marktes der Möglichkeiten.
Immer mal wieder fragten wir nach Strukturen, nach finanziellen Hintergründen. Ich bekam kein klares Bild. Es gibt wohl eine verfasste reformierte Kirche, die PKN (Protestantische Kirche in den Niederlanden), die eine eher modernistische und eine eher restaurative Art von „reformiert“ sowie die lutherische Kirche mittlerweile wieder unter einem Dach vereint. Unter dem Dach der Protestantischen Kirche haben die Ortsgemeinden eine relativ grosse Eigenständigkeit, während sich andere Gemeinden, die sich als ökumenische Basisgemeinden verstehen, völlig losgemacht haben aus den landeskirchlichen Strukturen und organisatorisch eher an Freikirchen erinnern.
Endgültig verwirrend war dann eine Führung durch ein riesiges planmässig gebautes Grossstadt-Viertel, in dem Menschen aus der ehemaligen holländischen Kolonie Surinam die überwiegende Mehrheit bilden. Die Führung begann in einem Kirchenzentrum, dass vier verschiedene Kirche besitzen. Sie haben getrennte Büros und anscheinend auch separate Gottesdiensträume. Alle diese Räume öffnen sich zu einem runden geselligen Zentrum. Oekumenisch ist das nur bedingt. Und zusätzlich werden die Räume an mindestens acht weitere Kirchen vermietet.
Dann führte uns ein älterer Herr, der als bewusst kirchlicher Mensch lange in der Kommunalpolitik tätig war, durch den Stadtteil. Der Rundgang gab Einblicke in verschiedene religiöse Versammlungsgebäude, die von der Stadtplanung so eigentlich gar nicht vorgesehen waren, die sich aber aus den Bedürfnissen der BewohnerInnen heraus entwickelt haben. So entstanden im Laufe der Zeit die verschiedensten Räumlichkeiten, grösser, kleiner, als Religionsräume sofort oder gar nicht erkennbar, ein Parkhausdeck, das zum Gottesdienstraum umfunktioniert wurde, ein mehrstöckiges Gebäude, das einem schwarzen Prediger gehört und zum Teil vermietet wird. Wir treffen die Heilsarmee, die Brüdergemeine, besuchen eine Moschee, stehen vor einem Gebäude, das ursprünglich für hinduistische Religionsgemeinschaften gedacht war, mittlerweile aber von einer Pfingstgemeinde genutzt wird. So wenig „landeskirchlich“ und doch so voll Religion! In den Gartenanlagen konnte ein Künstler eine Skulptur aufstellen, eine grosse Frauengestalt, die Kristallisationspunkt für einen verbreiteten surinamischen Volksglauben («Winti»), eine Art Mutter-Erde-Kult, ist.
Ich dachte: das ist wie in Korinth oder Rom zur Zeit der ersten ChristInnen: so vielfältig und so verwirrend; dazwischen christliche Gemeinde, klein, zahlenmässig unerheblich, oft nicht zur Kenntnis genommen, aber erstaunlich lebensstark, glaubensstark, christliche Kirche in einer „heidnischen“ Welt, mit einer Mission, nicht das Land christlich zu machen, aber den christlichen Glauben fröhlich in dieser Welt zu leben.
Frieder Tramer, Pfarrer, Stein am Rhein
Wir sprachen mit Kirchenleuten, die selbstbewusst auftraten. Offensichtlich waren sie in ihrem kirchlichen Engagement nicht angefochten durch die gesellschaftliche Minderheiten-Situation. Kommunitäres Leben und diakonisches Wirken im Rotlichtmilieu oder in einer riesigen Agglo-Stadt; ein einfaches mit Stil eingerichtetes Café-Restaurant mit sozialen Preisen, eine Beratungsstelle für sans-papier – das waren Orte von Kirche in der Stadt. Viele grosse Kirchen(gebäude) sind längst verkauft und umfunktioniert. In zwei davon assen wir zu Nacht. Beide machen als Restaurants gute Umsätze. Das zweite – wir sassen auf der Empore – heisst ironischerweise „Bazar“, eine andere Interpretation des Marktes der Möglichkeiten.
Immer mal wieder fragten wir nach Strukturen, nach finanziellen Hintergründen. Ich bekam kein klares Bild. Es gibt wohl eine verfasste reformierte Kirche, die PKN (Protestantische Kirche in den Niederlanden), die eine eher modernistische und eine eher restaurative Art von „reformiert“ sowie die lutherische Kirche mittlerweile wieder unter einem Dach vereint. Unter dem Dach der Protestantischen Kirche haben die Ortsgemeinden eine relativ grosse Eigenständigkeit, während sich andere Gemeinden, die sich als ökumenische Basisgemeinden verstehen, völlig losgemacht haben aus den landeskirchlichen Strukturen und organisatorisch eher an Freikirchen erinnern.
Endgültig verwirrend war dann eine Führung durch ein riesiges planmässig gebautes Grossstadt-Viertel, in dem Menschen aus der ehemaligen holländischen Kolonie Surinam die überwiegende Mehrheit bilden. Die Führung begann in einem Kirchenzentrum, dass vier verschiedene Kirche besitzen. Sie haben getrennte Büros und anscheinend auch separate Gottesdiensträume. Alle diese Räume öffnen sich zu einem runden geselligen Zentrum. Oekumenisch ist das nur bedingt. Und zusätzlich werden die Räume an mindestens acht weitere Kirchen vermietet.
Dann führte uns ein älterer Herr, der als bewusst kirchlicher Mensch lange in der Kommunalpolitik tätig war, durch den Stadtteil. Der Rundgang gab Einblicke in verschiedene religiöse Versammlungsgebäude, die von der Stadtplanung so eigentlich gar nicht vorgesehen waren, die sich aber aus den Bedürfnissen der BewohnerInnen heraus entwickelt haben. So entstanden im Laufe der Zeit die verschiedensten Räumlichkeiten, grösser, kleiner, als Religionsräume sofort oder gar nicht erkennbar, ein Parkhausdeck, das zum Gottesdienstraum umfunktioniert wurde, ein mehrstöckiges Gebäude, das einem schwarzen Prediger gehört und zum Teil vermietet wird. Wir treffen die Heilsarmee, die Brüdergemeine, besuchen eine Moschee, stehen vor einem Gebäude, das ursprünglich für hinduistische Religionsgemeinschaften gedacht war, mittlerweile aber von einer Pfingstgemeinde genutzt wird. So wenig „landeskirchlich“ und doch so voll Religion! In den Gartenanlagen konnte ein Künstler eine Skulptur aufstellen, eine grosse Frauengestalt, die Kristallisationspunkt für einen verbreiteten surinamischen Volksglauben («Winti»), eine Art Mutter-Erde-Kult, ist.
Ich dachte: das ist wie in Korinth oder Rom zur Zeit der ersten ChristInnen: so vielfältig und so verwirrend; dazwischen christliche Gemeinde, klein, zahlenmässig unerheblich, oft nicht zur Kenntnis genommen, aber erstaunlich lebensstark, glaubensstark, christliche Kirche in einer „heidnischen“ Welt, mit einer Mission, nicht das Land christlich zu machen, aber den christlichen Glauben fröhlich in dieser Welt zu leben.
Frieder Tramer, Pfarrer, Stein am Rhein