„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“
Das Wandbild von Paul Bodmer aus dem Jahre 1948 erscheint vielen Besuchern und Besucherinnen unserer Steigkirche auf den ersten Blick fremd und abweisend. Erst nach längerem Betrachten findet man einen Zugang und entdeckt seine zentrale biblische Botschaft. Dafür sollen diese Zeilen eine Hilfe sein.
Schnell erkennt man die abgebildeten Personen: Christus, gross in der Mitte, dann die 7 Engel, die von ihm ausgehen, und schliesslich die 12 Männer, die in ihrer Anzahl an die Jünger von Jesus erinnern, aber in ihrem Aussehen eher heutige Menschen abbilden. Aber was wird damit dargestellt? Eine erste Hilfe zum Verständnis sind die Engel (griechisch: angeloi, deutsch: Boten), die zeigen, dass es um eine Botschaft (griechisch: euangelion = Evangelium) und um eine Sendung geht. Darum ist nicht eine bestimmte biblische Geschichte abgebildet, sondern der Auftrag der Kirche zu allen Zeiten.
Befremdend wirkt auf den ersten Blick auch die Strenge der Gesichter. Sie drücken etwas davon aus, dass dieser Auftrag keine leichte Aufgabe ist, sondern auch eine Last sein kann. Zwar bedeutet die gute Botschaft eine grosse Freude für alles Volk, aber für die Überbringer kann es - so wie für Jesus selber - auch Verfolgung und Anfeindung bedeuten.
Darum hat das Bild gar nichts Gemütliches. Es geht hier auch nicht darum, sich einander zuzuwenden und es schön miteinander zu haben, sondern darum, hinauszugehen für den Dienst, zu dem man berufen ist. Jeder der 12 Männer schaut darum in eine andere Richtung, und das Gemeinsame besteht nicht in dem, was sie als Gemeinschaft aufbauen, sondern in dem, was sie im Rücken haben als gemeinsame Bestimmung, zu der sie berufen sind.
Der Inhalt ihrer Botschaft ist in ihrer Anzahl verborgen. Es ist zunächst die Erinnerung an die Geschichte des Bundes der 12 Stämme im Alten Testament, der aber zur Zeit von Jesus längst auseinander gebrochen war. Mit der Einsetzung der 12 Jünger geht es Jesus also darum, ein ursprünglich Ganzes wieder zu heilen, und diese 12 dann auszusenden in die ganze Welt. Die Zwölfzahl ist dabei also ein Bild für die Vollständigkeit, wie es auch in den Stunden des Tages, in den Monaten eines Jahres oder im Sternkreis zum Ausdruck kommt.
Das ist die frohe Botschaft, dass durch Christus diese ganze Welt gerettet ist, und um ihr das zu bezeugen, werden zu allen Zeiten Menschen ausgesandt (griechisch: apostello), und zwar in alle Welt und in alle Richtungen, um es bekannt zu machen, dass Gott alles und alle mit sich versöhnt hat.
Und der Grund dieser Versöhnung ist Christus als die Mitte von allem, dargestellt auf dem Boden vor der Türe der Steigkirche mit den beiden griechischen Buchstaben Chi (X) und Rho (P). Und die 12 Strahlen des Sterns senden die Besucher und Besucherinnen unserer Kirche wie Wegweiser in verschiedene Richtungen, wo jeder und jede seinen und ihren persönlichen Auftrag hat, an dem Ort, an den uns das Leben hingestellt hat, Zeugen davon zu sein, dass alles miteinander verbunden ist.
Auch die 12 Fenster der Steigkirche und der Stern auf dem Turm erinnern uns an den Auftrag, der der Kirche von ihrem Herrn gegeben ist, hinauszugehen und so mit Christus verbunden zu bleiben. Denn dieser Weg ist die Bewegung der Liebe, und auf diesem Weg begleiten uns die Worte von Jesus wie Engel: „Das ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich nichts von allem, was er mir gegeben hat, verloren gehen lasse“ (Johannes 6,39)
Pfarrer Markus Sieber