Doris Brodbeck

Alt - Warum man sehen darf, wieviel Jahre wir schon gelebt haben - Bibel einfach erklärt (SN)

Nyree Heckmann (Foto: SN Bibelkolumne)

Nyree Heckmann (Foto: SN Bibelkolumne)

Das, was wir im Leben erfahren, schlägt sich in unserem Körper nieder. So erzählen wir Geschichten, auch ohne etwas zu sagen. Verhindern wir, alt auszusehen, dann gehen uns diese Geschichten verloren. Denn in jeder Falte steckt eine kleine Lebens-Kostbarkeit.
LUKAS, KAPITEL 2, VERSE 29 BIS 30:
«Herr, nun kann ich in Frieden sterben, denn Du hast Dein Versprechen eingelöst! Mit eigenen Augen habe ich es gesehen: Du hast dein rettendes Werk begonnen.»

Als Kind hatte ich ein Lieblingsbuch. "Unsere Oma" heisst es und ist schon einige Jahre alt, denn inzwischen bin ich 51. Die Hauptperson ist eine 80jährige Dame, die schmale Kleider aus der Zeit der Jahrhundertwende trägt, einen falschen Zopf zu einem Haarkranz bindet, Anstind hatte ich ein Lieblingsbuch. "Unsere Oma" heisst es und ist schon einige Jahre alt, denn inzwischen bin ich 51. Die Hauptperson ist eine 80jährige Dame, die schmale Kleider aus der Zeit der Jahrhundertwende trägt, einen falschen Zopf zu einem Haarkranz bindet, Anstandsunterricht gibt und für ihr Leben gerne Rollschuh läuft. Eine Oma, mit der man durch dick und dünn geht. Und, sie hat einen Ohrensessel, in dem sie strickt, während die Katze auf ihrem Schoss ruht. Eine Oma im Ohrensessel. Weisheit versprühend und Gelassenheit, was die Ausgelassenheit der Jugend angeht. Ich wünsche mir so eine Oma in diese Gegenwart, und ich möchte auch so eine Oma werden, wenn ich älter bin. Eine mit viel Zeit und Freude am Leben und an der Jugend, und eine mit viel angesammelter Lebensweisheit, die sich im Gesicht zeigt.
In der Bibel, genauer gesagt im Neuen Testament, wird von einem vermutlich alten Mann berichtet, der Simeon heisst. Er geht sehr häufig in den Tempel, ist vom göttlichen Geist erfüllt und hält sich an sein Gesetz. Bevor er stirbt, will er unbedingt noch Gottes Retter sehen. Darauf wartet er, das ist sein Ziel. Und da kommt der Tag, an dem Maria und Josef ihm das Kind bringen, Jesus, dass die Welt auf den Kopf stellen wird. Das Kind, für das er Gott lobt und fröhlich ist und sing. Das Kind, dass er zusammen mit seiner Familie segnet. Sein Gesicht leuchtet und seine Augen strahlen. Anders kann ich es mir gar nicht vorstellen. Er hat sein Lebensziel erreicht. Sehen, dass Gott etwas tut in der Welt. Er hat sein Lebensziel erreicht, jetzt kann er gehen. Lebens-satt sterben, wie es im Alten Testament häufig formuliert wird. Lebens-satt. Rundum glücklich und zufrieden. Das hinterlässt doch Spuren, Das muss auf seinem Gesicht zu sehen gewesen sein.
Zwei besondere Alte, die mich froh machen. Sie geben mir auf ihre Weise Einblick in eine andere Zeit. In das, was man schaffen kann, auch wenn es schwer ist. Und wie man sich freuen kann, wenn etwas gelingt. In jeder Falte im Gesicht eines alten Menschen findet sich eine Kostbarkeit, eine Lebenserzählung, die wichtig ist für die heutige Welt.

Nyree Heckmann, Pfarrerin, Evang. - ref. KG Neuhausen,
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