Was wünsche ich mir, wenn ich krank bin? Wie möchte ich einmal im Sterben begleitet werden?
MATTHÄUS, KAPITEL 25, VERSE 31 BIS 40 (GEKÜRZT):
«Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden. Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln und zu ihnen sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid. Denn ich war krank, und ihr habt mich besucht.
Dann werden ihm die Gerechten antworten: Wann haben wir dich krank gesehen und sind zu dir gekommen? Und er wird ihnen antworten: Was ihr einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan.»
Die Bibel einfach erklärt? - Die einfache Erklärung dieser bekannten Bibelstelle lautet: Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Mitmenschen gehören zusammen und lassen sich nicht trennen. Gottesliebe und Nächstenliebe - das eine geht nicht ohne das andere.
Aber schon beim näheren Nachdenken kommt es möglicherweise zu einem gewissen Unbehagen: Meint der, der mich besucht, wenn ich krank bin, denn wirklich mich? Oder meint er eigentlich Gott beziehungsweise Jesus? Der ungute Verdacht: Er oder sie besucht mich nicht um meiner selbst willen. Sondern womöglich sogar nur, um dereinst für das angekündigte Weltgericht gut dazustehen? - Doch nicht so einfach zu erklären.
Aber gleich wie man es betrachtet. Diese Bibelstelle (und noch ein paar andere) hat nicht weniger bewirkt als das Entstehen der Sorge um kranke Menschen. Also das, was wir heute als «Care» bezeichnen. Wer krank ist, wird nicht aus der Gemeinschaft hinausgedrängt, sondern die Gemeinschaft kümmert sich um die kranke Person. Auf dieser Grundlage hat sich die Krankenpflege entwickelt. Aus dieser Quelle ist ein ganzes Gesundheitssystem entstanden.
Der christliche Gedanke einer Zusammengehörigkeit von Nächstenliebe und Gottesliebe bleibt dabei nicht auf der Strecke, ist aber heute in aller Regel ziemlich in den Hintergrund getreten. Und dass wir im Gesicht unserer Mitmenschen immer auch Gott begegnen - das erfahre ich hin und wieder in den Sternstunden meiner Spitalseelsorge.
Menschen, die krank sind, brauchen die Fürsorge ihrer Mitmenschen. Das gilt auch und ganz besonders für sterbende Menschen. Sie brauchen jemanden, der oder die einen Mantel um sie legt. Sie brauchen Palliative Care. «Pallium» ist das lateinische Wort für Mantel. Palliativpflege ist also eine Ummantelung, damit niemand sich allein gelassen fühlen muss - bis zum letzten Schlag des Herzens.
Ingo Bäcker
Spital- und Gefängnisseelsorger
Mail:
Kolumne in den Schaffhauser Nachrichten
Archiv der Bibelkolumnen