Österliche Hoffnung

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Ich stelle mir die Hoffnung wie eine Botin, ein Lebenszeichen aus einer anderen Welt vor.
Beatrice Kunz Pfeiffer,
In der Zeit des Corona-Virus müssen wir unsere Mobilität einschränken und uns räumlich mit unseren Wohnungen und den vertrauten Wegen für die Spaziergänge zufrieden geben. Doch je weniger Abwechslung uns das äussere Leben bringt, desto mehr kann unser inneres Leben in Schwung kommen, z.B. durch die Phantasie der Hoffnung.
Ich stelle mir die Hoffnung wie eine Botin, ein Lebenszeichen aus einer anderen Welt vor.

Die Hoffnung sagt:
„Deine begrenzte Sicht der Dinge ist Teil eines alle Grenzen überschreitenden Geistes, der die gesamte Welt und das gesamte Universum zusammendenkt und zusammenhält. Manche nennen diesen Geist Gott.“

Und die Hoffnung sagt: „Dein endliches Leben ist eingebettet in etwas Grösseres; du kannst dich über dieses Leben hier hinaustragen lassen in ein ewiges Leben hinein. Manche nennen dieses ewige Leben Gott.“

Mit der Auferweckung des am Karfreitag gekreuzigten Jesus von Nazareth kam die Phantasie der Hoffnung in die Welt. Und sie ist bis heute lebendig geblieben, damit auch wir uns von ihr leiten lassen können.

Mit herzlichen Ostergrüssen
Ihre Pfarrerin Beatrice Kunz Pfeiffer

Gerne gebe ich Ihnen für die Ostertage eine Hoffnungsgeschichte von Wolfdietrich Schnurre mit. Sie trägt den Titel "Wovon man lebt"

Auch in Zeiten der wirtschaftlichen Krise will meine arbeitslose Mutter mir, ihrer Tochter, eine Freude zu Ostern machen. Noch jedesmal hat sie es geschafft, sich an Festtagen für mich etwas ganz Besonderes einfallen zu lassen. Doch diesmal will und will ihr keine Idee kommen. Zwei Wochen vor dem Fest ist sie schon ganz nervös. Obwohl die meisten Menschen momentan kaum etwas Geld auf die Seite schaffen können, sind die Schaufenster der Konfiserien und Bäckereien überfüllt mit verlockenden Schokolade-Hasen und -Eiern in allen Grössen und Arten.
Ich versichere meiner Mutter, dass sie sich keine Gedanken machen müsse, ich brauche dieses Jahr keine Schokolade, ich könne ganz gut ohne auskommen. „Lass uns doch am Ostersonntag einfach zuhause bleiben. Wir sehen uns zusammen ein schönes Buch an und spielen dann mit Tante Frieda und Onkel Max „Mensch ärgere dich nicht“, schlage ich vor.
Aber das lässt der Stolz meiner Mutter nicht zu: es kann nicht sein, dass es zu Ostern nichts Besonderes gibt. Am nächsten Tag schickt sie mich nach draussen und schmiedet mit Tante Frieda und Onkel Max einen Plan. Dann ruft sie mich wieder herein und fragt: Was meinst Du, wenn du dieses Jahr das schönste gefüllte Schokoladen-Ei bekommst, das Du Dir vorstellen kannst?
„Was ist drin?“ frage ich gespannt. „Das sollst du selbst bestimmen“, antwortet sie. „Und auch bei der Verpackung“ ergänzt Frieda, „hast Du ein Wort mitzureden.“ „Und lass es Dir mit einer hübschen bunten Schleife zusammenbinden“ meldet sich Onkel Max. „Ja, logisch“, sage ich schwärmerisch „sonst klappt es ja auseinander.“
„Und werde dir rechtzeitig darüber klar, ob es aus gewöhnlicher Milchschokolade oder aus Krokantschokolade bestehen soll“ ermahnt Mutter. „Ginge auch beides?“, frage ich wie im Traum. Mutter blickt Tante Frieda an „Warum nicht?“ Sagt diese.

Mir bleiben noch 10 Tage Zeit, um Ordnung in meine Wünsche zu bringen. Es werden die aufregendsten Tage, die ich bisher erlebt habe. An Schlaf ist kaum noch zu denken; stundenlang liege ich wach oder berate mich mit meiner Mutter, wie das Ei am besten auszustatten wäre. Frieda und Max beteiligen sich auch an den Entwürfen, sodass das Ei allmählich zu etwas märchenhaft Schönem heranwächst. Schöner, als alles, was wir in Wirklichkeit schon je zu Gesicht bekommen haben.
Vier Tage vor Ostern nimmt Mutter sorgfältig ein handgeschöpftes Blatt Papier und ihren kostbaren Tintenfüller und hält schriftlich fest, wie das Ei aussehen wird: silbern, mit einer blasslila Schleife umwickelt, die in Form einer 15-blättrigen Blume zurechtgezupft ist. Frieda steckt das sorgsam gefaltete Blatt dann in ihre Sonntagshandtasche. „So“, seufzt die Mutter, „jetzt heisst es Geduld haben“.

Früh am Ostermorgen machen wir uns zu viert auf den Weg: Mutter trägt das Ei gut verborgen in ihrem Rucksack. Frieda hat die Gitarre dabei und spielt beim Gehen, während Max die Melodien dazu pfeift. Nach etwa einer Stunde kommen wir zu einem sanft abfallenden Wiesenhang mit einem Erlenwäldchen. Es wird unten durch einen Bach und ein dichtes Holundergehölz abgeschlossen. Max sucht wilden Schnittlauch für unser Picknick-Frühstück, und Mutter liest eine Ostergeschichte vor.
Dann bittet sie mich, ihr nicht hinterher zu sehen, wenn sie jetzt das Ei verstecken gehe. Während sie weg ist, frage ich Frieda und Max nach der Grösse des Eis; darüber haben wir noch gar nicht richtig gesprochen: Wir einigen uns darauf, dass es etwa so gross wie mein Kopf sein sollte, denn es müssen ja immerhin Marzipan- und Nougateier sowie Pralinen und Fruchtschnitten darin Platz finden.
Endlich pfeift Mutter und gibt mir so das Zeichen, mit der Suche zu beginnen.
Ich suche ziemlich lange - es ist die aufregendste Eiersuche, die ich je mitgemacht habe. Nach zweieinhalb Stunden fange ich an, etwas ungeduldig zu werden. „Mehr links“, weist Mutter mich an; „nein“, sagt Frieda, „es müsste mehr rechts sein, ich habe beim Verstecken zugeschaut“. „Ich habe es anders gesehen“ ruft Max, „geh geradeaus in die Holunderbüsche!“
Langsam wird auch Mutter ungeduldig: „Hast Du etwas dagegen, wenn ich mitsuche?“ „Nein, sicher nicht!“ Ich bin noch so froh um Hilfe. - Doch alle Suche bleibt vergeblich. Max rät: „Wir müssen systematisch vorgehen, jedes von uns nimmt sich einen Streifen Land vor. Und so machen wir es auch, suchen jedes Grasbüschel und jeden Klettenbusch ab, drehen jeden rostigen Eimer um, greifen in Kaninchenlöcher und tasten uns barfuss durch den Bachgrund. - Nichts. Mitte Nachmittag legen wir eine Pause ein, nachher geht es von vorne los.
Schliesslich sind wir alle zu erschöpft, um noch weiterzusuchen.

Als es dämmert, treten wir den Heimweg an. Max nimmt mich im Huckepack auf seinen Rücken, und schon bald schlafe ich ein. Doch irgendetwas lässt mich wieder wach werden. Ich höre, wie Mutter und Frieda sich unterhalten: „Sie hat mir leid getan, wie sie so vergeblich gesucht hat“, sagt Frieda. „Ja, mir auch“, erwidert Mutter, „aber war ihre Vorfreude auf das Ei nicht riesig? - Wenn es das Ei auch nicht gab, es war wirklicher als ein wirkliches Ei; ich habe ja schon bald selbst daran geglaubt! Ich bin sicher, sie denkt noch an dieses Ei, wenn sie alle anderen längst vergessen hat! Denn Wunschbilder, die nicht in Erfüllung gehen, machen die wahre Glückseligkeit aus!“