Was beschäftigt Menschen am Lebensende?

Bild wird geladen...
Zu diesem Thema sprach die Psychoonkolgin, Frau Dr. Natalie Büel im Rahmen von Horizonte, einem Anlass der Kirchgemeinde Stein-Hemishofen.
Frau Dr. Büel begleitet schon seit 20 Jahren Menschen in palliativen Krankheitssituationen. In einem Stadium am Ende des Lebens also, bei dem es darum geht, körperliches Leiden zu lindern und den betroffenen Menschen möglichst ganzheitlich zu versorgen und zu begleiten. Die Übersetzung von «palliativ» drückt das schön aus: «ummantelnd».
Elisabeth Kübler-Ross, eine schweizerisch-US-amerikanische Psychiaterin und Sterbeforscherin hat fünf Stadien beschrieben, die Menschen durchleben, wenn sie eine lebensbedrohende Diagnose erhalten. In einer ersten Phase wird gehofft, dass die Diagnose ein Irrtum ist. Dann folgt die Frage nach dem «Warum gerade ich». Der Wunsch nach Verlängerung des Lebens wird stark, gefolgt von einer Phase der Trauer um verpasste Chancen. Und letztlich koppelt sich der Mensch von seiner Umgebung ab und akzeptiert seine unheilbare Krankheit.
Frau Dr. Büel erzählt, dass in ihrer Erfahrung Menschen nicht diese Phasen durchlaufen, sondern dass die psychologische Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod sehr viel individueller ablaufe. Es kommt darauf an, in welcher Lebenssituation ein Mensch die tödliche Diagnose bekommt und was er mitbringt an Erfahrungen, Beziehungsnetzen und bisherigen Bewältigungsstrategien.

Im Weiteren hörten wir Fallbespiele von drei Menschen, die ganz unterschiedlich ihre letzte Lebenszeit verbrachten und wie dann die Ärztin einfühlsam versuchte, auch das seelische Leiden zu mildern.
Sei es, dass sich ein Vermeidungsverhalten zeigt, das heisst, dass der Mensch an einem bestimmten Bild von sich festhält und den kommenden Tod verleugnet. Auch ungelöste Konflikte belasten schwer. Da ist eine achtsame biographische Aufarbeitung angezeigt unter gegebenenfalls Einbezug des Umfeldes. Oder Patientinnen und Patienten leiden unter seelischen Schmerzen, wie Schuld und Schamgefühlen. Meistens spielt da Traumatisierung oder eine hohe Erwartung an sich selbst mit. «Wichtig»- so Frau Dr. Büel- «ist das Bewusstsein, dass kein Mensch ohne Schuld durchs Leben geht und dass wir ins Verzeihen kommen.»
In dieser palliativen Phase geht es auch darum, herauszufinden, was ist mir wichtig, was ist mir zentral, um so Sinn zu finden und jeden Tag ein bisschen am Leben teilzunehmen. Dabei helfen Begegnung und Beziehung zu Familie und Freunden. «Und nicht zuletzt», so schloss Frau Dr. Natalie Büel ihr nachdenklich stimmendes Referat: «Freuen wir uns täglich am Leben und gestalten es bis zum letzten Tag!»


Autorin: Ruth Müller