Einander beim Weinen helfen – Bibel einfach erklärt
Wenn wir uns erlauben, unsere Gefühle und Tränen frei fliessen zu lassen, und wenn wir einander erst noch beim Weinen und Fühlen helfen, tragen wir zum Frieden in uns und untereinander bei.
RÖMERBRIEF, KAPITEL 12, VERSE 9,10,15,17,18:
«Die Liebe sei ohne Heuchelei! Das Böse wollen wir verabscheuen, dem Guten hangen wir an. In geschwisterlicher Liebe sind wir einander zugetan … Freuen wollen wir uns mit den Fröhlichen und weinen mit den Weinenden. ... Vergeltet niemandem Böses mit Bösem, seid allen gegenüber auf Gutes bedacht! Haltet Frieden mit allen Menschen!»
Zu Beginn eine Geschichte: Felix, 7jährig, kommt verspätet von der Schule nach Hause. Die Mutter fragt, was denn gewesen sei, sie habe sich Sorgen gemacht. Felix antwortet: Ich musste Julia helfen, ihre Puppe ist kaputt gegangen. Die Mutter fragt: Oh, dann hast du ihr geholfen, die Puppe zu flicken? Nein, sagt Felix, ich habe ihr geholfen zu weinen.
Kennen Sie ihn auch, den Reflex, sofort etwas «machen» zu wollen: den Schaden beheben, das Problem lösen, den Schmerz lindern, den Tränenfluss stillen? In unserer Trauer brauchen wir es jedoch gerade nicht, dass uns jemand Lösungen präsentiert, Ratschläge erteilt und alles wieder gut machen will. Da fühlen wir uns übergangen.
Viel hilfreicher ist es, wenn unser Gegenüber einfach da ist, aufmerksam zuhört und liebevoll mitfühlt. So öffne ich mich und teile mit, was mich bedrückt. Es tut wohl, sich mit den Gefühlen, die da sind, zu zeigen, den Tränen freien Lauf zu lassen.
Dabei erlebe ich als Seelsorgerin so oft, dass sich die Menschen für ihre Tränen entschuldigen. Wir haben gelernt, tapfer zu sein, auf die Zähne zu beissen, keine Schwäche zu zeigen. Wir haben uns im Griff, verdrängen unsere Gefühle, schlucken Schmerz und Tränen hinunter.
Doch die nicht gefühlten Gefühle und nicht geweinten Tränen sammeln sich und gären in uns weiter. Sie machen uns krank. Werden sie getriggert, lassen sie uns überreagieren und kommen explosionsartig zum Vorschein. Deshalb halten wir es schlecht aus, wenn jemand verzweifelt und in Tränen aufgelöst ist. Es rührt an die Gefühle, die wir selbst unter Verschluss halten.
Der Bub in der Geschichte und Paulus im Römerbrief legen uns nahe, einander beim Weinen und überhaupt beim Fühlen zu helfen. Wir werden die heilsame Erfahrung machen, dass uns die Gefühle nicht überwältigen, sondern dass sie – wie das Wasser des Rheins – durchfliessen und weiterziehen. Bis zum nächsten Mal. So geschieht Heilung. Indem wir einander beim Weinen helfen, werden wir uns gegenseitig zur Seelsorgerin, zum Seelsorger.
Pfarrerin Verena Hubmann, evang.-ref. Kirchgemeinde St. Johann-Münster,
E-Mail:
Kolumne in den Schaffhauser Nachrichten
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«Die Liebe sei ohne Heuchelei! Das Böse wollen wir verabscheuen, dem Guten hangen wir an. In geschwisterlicher Liebe sind wir einander zugetan … Freuen wollen wir uns mit den Fröhlichen und weinen mit den Weinenden. ... Vergeltet niemandem Böses mit Bösem, seid allen gegenüber auf Gutes bedacht! Haltet Frieden mit allen Menschen!»
Zu Beginn eine Geschichte: Felix, 7jährig, kommt verspätet von der Schule nach Hause. Die Mutter fragt, was denn gewesen sei, sie habe sich Sorgen gemacht. Felix antwortet: Ich musste Julia helfen, ihre Puppe ist kaputt gegangen. Die Mutter fragt: Oh, dann hast du ihr geholfen, die Puppe zu flicken? Nein, sagt Felix, ich habe ihr geholfen zu weinen.
Kennen Sie ihn auch, den Reflex, sofort etwas «machen» zu wollen: den Schaden beheben, das Problem lösen, den Schmerz lindern, den Tränenfluss stillen? In unserer Trauer brauchen wir es jedoch gerade nicht, dass uns jemand Lösungen präsentiert, Ratschläge erteilt und alles wieder gut machen will. Da fühlen wir uns übergangen.
Viel hilfreicher ist es, wenn unser Gegenüber einfach da ist, aufmerksam zuhört und liebevoll mitfühlt. So öffne ich mich und teile mit, was mich bedrückt. Es tut wohl, sich mit den Gefühlen, die da sind, zu zeigen, den Tränen freien Lauf zu lassen.
Dabei erlebe ich als Seelsorgerin so oft, dass sich die Menschen für ihre Tränen entschuldigen. Wir haben gelernt, tapfer zu sein, auf die Zähne zu beissen, keine Schwäche zu zeigen. Wir haben uns im Griff, verdrängen unsere Gefühle, schlucken Schmerz und Tränen hinunter.
Doch die nicht gefühlten Gefühle und nicht geweinten Tränen sammeln sich und gären in uns weiter. Sie machen uns krank. Werden sie getriggert, lassen sie uns überreagieren und kommen explosionsartig zum Vorschein. Deshalb halten wir es schlecht aus, wenn jemand verzweifelt und in Tränen aufgelöst ist. Es rührt an die Gefühle, die wir selbst unter Verschluss halten.
Der Bub in der Geschichte und Paulus im Römerbrief legen uns nahe, einander beim Weinen und überhaupt beim Fühlen zu helfen. Wir werden die heilsame Erfahrung machen, dass uns die Gefühle nicht überwältigen, sondern dass sie – wie das Wasser des Rheins – durchfliessen und weiterziehen. Bis zum nächsten Mal. So geschieht Heilung. Indem wir einander beim Weinen helfen, werden wir uns gegenseitig zur Seelsorgerin, zum Seelsorger.
Pfarrerin Verena Hubmann, evang.-ref. Kirchgemeinde St. Johann-Münster,
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