700 Jahre Steigkirche
Die Steiggemeinde durfte am 28.August 2022 ein besonderes Fest feiern. 1322 wurde eine Kirche auf der Steig eingeweiht. Sie wurde den Heiligen Drei Königen geweiht. Dieses Gotteshaus war aber bereits das zweite Gotteshaus in unserem Quartier.
Admin Steig,
Viele Gemeindeglieder wollten dieses Fest gebührend feiern und kamen in Scharen. Die Kirche war voll. Marianne Knecht (Orgel und Klavier) und die Gipsy Singers von Beggingen unter der Leitung von Peter Pfeiffer sorgten für einen feierlichen und fröhlichen Gottesdienst. Die 6. Klässler der Breite führten ein kleines Theaterspiel auf. Drei Steinmetze sind beschäftigt beim Bau der Steigkirche. Sie hauen aus einem unförmigen Rohmaterial Steinblöcke. Ein Fremder kommt auf die Baustelle und fragt, was sie hier machen würden. Der eine antwortet, dass er Steine behaue. Der zweite sagt, dass er diese Arbeit mache, um Geld zu verdienen. So könne er seine Familie ernähren. Zu Hause warten seine Frau und seine fünf Kinder. Der Fremde fragt noch den dritten Arbeiter. Von ihm bekommt er die Antwort: "Ich baue am Dom!"
Mit dieser kleinen Anspielszene wurde sich die Steiggemeinde bewusst, dass wir ein Teil etwas Grösserem sind. Wir sind ein Teil der Geschichte der Steigkirche. Jeder an seinem Platz. Wir sind wie Staffettenläufer. Wir haben den Glauben von früheren Generationen empfangen und geben ihn der nächsten Generation weiter. Drei Konfirmandinnen erinnerten an die bewegte Geschichte der Steiggemeinde und zeigten viele Bilder. Urkundlich ist erwähnt, dass die erste Kapelle um die Gründungszeit der Eidgenossenschaft gebaut wurde. 1322 wurde "dr Sieche Kilch" gebaut. Die Aussätzigen, die damals im heutigen Haus Steig wohnten, besuchten das Gotteshaus. Ein Kaplan hatte die Aufgabe, täglich die Messe zu lesen und die Aussätzigen seelsorgerlich zu betreuen. Bald besuchten auch die Menschen von den umliegenden Bauernhöfe die Dreikönigskapelle. 1529 wurde die Reformation in der Stadt Schaffhausen durchgeführt. Das evangelische Denken kehrte auch in der Dreikönigskapelle ein. Ein Pfarrhelfer vom St. Johann hatte dreimal wöchentlich - am Sonntag, Mittwoch und Freitag - zu predigen. Immer mehr besuchten auch die Rebleute und Tagelöhner die Gottesdienste auf der Steig. Als der Aussatz in der Mitte des 17. Jahrhunderts verschwand, wurde das Siechenhaus von Menschen bewohnt, die an anderen unheilbaren Krankheiten litten. Epileptiker und Taubstumme zum Beispiel wohnten im sogenannten Armenhaus auf der Steig. Der Menüplan bestand aus Habermus zum Frühstück, Gerstenkost oder Erbsenkost zum Mittagessen und Habermus, Gersten- oder Erbsenkost oder Böllesuppe zum Abendessen. Am Sonntag gab es kein Frühstück. Zum Mittagessen Fleisch und Suppe und am Abend auch wieder Suppe. Das war eine einseitige Ernährung. Die 6. Klässler führten darum ein kleines Theaterstück auf. Es erinnerte an Menschen, die im damaligen "Siechenhaus" lebten. Eine wichtige Persönlichkeit in der Geschichte der Steiggemeinde durfte nicht fehlen: Johann Georg Hurter. Er sah die vielen Kinder der Tagelöhner und Rebleute. Die Eltern arbeiteten im Rebberg. Die Kinder waren sich selber überlassen. Volksschulen gab es damals noch nicht. Johann Georg Hurter sammelte die Kinder in einer Schulstube und erteilte ihnen einen einfachen Unterricht. Täglich besuchten zwanzig bis dreissig Kinder die Schule. Aus privaten Mitteln gründete Johann Georg Hurter die erste Armenschule der Schweiz, die heutige Steigschule. Er wird darum als Schaffhauser Pestalozzi bezeichnet. 1842 wurden die Kirchgemeinden in der Stadt Schaffhausen neu eingeteilt. Die Aussenquartiere Mühlenen, Steig, Breite, Hohlenbaum, Mühlental, Geissberg, Fulachtal, Ebnat, Gruben und Emmersberg wurden in einer weitläufigen Kirchgemeinde zusammengefasst. Zur Kirchgemeinde Steig. Das Dreikönigskirchlein wurde eine selbständige Pfarrkirche. Ein Kirchenstand wurde gewählt. Die Gemeinde umfasste damals etwa 1200 Gemeindeglieder. Bald war aber das Dreikönigskirchlein für das aufstrebende Quartier zu klein. Die Kapelle wurde leider abgerissen. Eine neue Kirche wurde gebaut und 1895 eingeweiht. Es waren ihr aber nur knappe 50 Lebensjahre beschieden. Am 1. April 1944 fällt die Steigkirche einer Bombardierung durch amerikanische Flieger zum Opfer. Fünf Jahre später wurde eine neue Kirche auf der Breite gebaut und in einem festlichen Gottesdienst eingeweiht. Viele Gemeindeglieder mögen sich noch an den Festtag erinnern. Einige können auch erzählen, wie sie damals mitgeholfen haben, die Glocken der Steigkirche in die Höhe zu ziehen. Im Knauf der Turmspitze ist ein Bekenntnis niedergelegt. Es ist auch nach 700 Jahren noch aktuell. Eine Kirche besteht aus Mauern und einem Dach. Entscheidend aber sind die Menschen, die den Glauben über Generationen weitertragen. Dieser Glaube ist im Bekenntnis festgehalten: "Deus spes nostra est."
Nach diesem Rückblick auf die Geschichte der Steiggemeinde nahm Pfarrer Martin Baumgartner den Faden auf in seiner Kurzpredigt über den Vers von Paulus: "Ihr, als die lebendigen Steine, lasst euch zum geistlichen Haus aufbauen." Die aktuelle Situation der Schaffhauser Kirchen wurde aufgenommen. Es gibt pro Jahr mehr Abdankungen als Taufen. Die Zahl der Gemeindeglieder sinkt darum. In verschiedenen Kommissionen in der Stadt und im Kanton werden nun Wege gesucht, um sich diesen veränderten Strukturen anzupassen. Anlässe werden über Gemeindegrenzen angeboten. Wir können diese Entwicklung beklagen. Entscheidend aber ist, dass wir den Glauben weitergeben. "Gott geht mit uns in eine gute Zukunft. Schreiben wir die Geschichte der Steigkirche weiter. Möge Gott uns seinen Segen geben." Mit diesen Worten schloss Pfr. Baumgartner seine Ansprache. Nach dem festlichen Gottesdienst erwartete uns ein Apéro auf dem Kiesplatz der Kirche. Zum Mittagessen gabs verschiedene Pizzas von Pizzeria Corra. Auch Kaffee und Kuchen durfte nicht fehlen. Gemeindeglieder brachten Kuchen, die sie selber gebacken haben. Zwei ältere Damen präsentierten stolz die schön verzierten Kuchen mit der Aufschrift: 700 Jahre Steigkirche. Für die Kinder gab es eine Bastelecke.
Es war ein fröhliches Fest. Viele Menschen haben zum gelungenen Anlass beigetragen. Ihnen ein herzliches Dankeschön. Der schöne Gemeindetag stärkte Jung und Alt in der Gewissheit, dass Menschen da sind, die die Geschichte der Steigkirche weiterschreiben. Pfr. Martin Baumgartner