Gastkommentar in der NZZ von Regierungsrat Mario Fehr
Ausgabe vom Montag, 25. Nov. 2024
Ausgabe vom Montag, 25. Nov. 2024
Peter Vogelsanger,
Neben den Einnahmen aus der Kirchensteuer erhalten
die anerkannten Glaubensgemeinschaften auch direkt Geld
aus der Kantonskasse. Diese Beiträge sind in Kritik gekommen,
doch die Kirchen verdienen die finanzielle Unterstützung.
Der betagte Vater liegt im Sterben: Die Spitalseelsorgerin
kommt ans Krankenbett. Eine junge
Frau lebt auf der Strasse: Ihr Essen erhält sie in
der kirchlichen Gassenküche. Ein Suizid erschüttert
die Familie: Die Polizei ruft den Notfallseelsorger.
Eine schwere Krankheit bestimmt unser Leben:
Die Pfarrerin hat stets ein offenes Ohr.
So ist meine Kirche: Sie ist da und bietet Hilfe
an, wenn sie gebraucht wird. Meine Kirche sorgt
sich um andere – um unsere Nächsten. Dieser Gedanke
von Gemeinschaft und Miteinander ist mir
wichtig. Wenn Ungleichheiten und Verwerfungen
unsere Gesellschaft ins Straucheln bringen, braucht
es die positiven, verbindenden Kräfte und unterstützenden
Impulse. Solche Kräfte und Impulse liefern
die anerkannten Religionsgemeinschaften im
Kanton Zürich – nicht nur in der Adventszeit, sondern
das ganze Jahr über.
Bewährte Beziehung Kirche und Staat
Als Sozialminister des Kantons Zürich anerkenne
und schätze ich die vielfältigen Leistungen unserer
Kirchen, die soziale und emotionale Bedürfnisse erfüllen.
Der Staat kann diese Aufgaben nicht allein
übernehmen. Ich bin dankbar dafür, dass die Kirchen
vorhandene Lücken schliessen, sich für die
Schwachen in der Gesellschaft einsetzen und jederzeit
Zusammenhalt und Unterstützung bieten.
Die Anerkennung der religiösen Gemeinschaften
geschieht nicht zufällig. Die Grundlage für
diese Anerkennung und Wertschätzung legt die
Präambel der Kantonsverfassung. Dort ist verankert,
dass das Volk des Kantons Zürich «in Verantwortung
gegenüber der Schöpfung» handle – ein
zwar indirekter, aber deutlicher Bezug zu den religiösen
Grundlagen des Gemeinwesens. Diese Verpflichtung
nehme ich als Politiker und reformierter
Christ gern an.
Einen Meilenstein meiner politischen Bemühungen
als ehemaliger Kantons- und Verfassungsrat bildete
die staatliche Anerkennung der
jüdischen Gemeinschaften Israelitische Cultusgemeinde
Zürich und Or Chadasch mit der neuen
Kantonsverfassung, die im Januar 2006 in Kraft trat.
Diese schon damals längst überfällige Anerkennung
würdigt den hohen Stellenwert, den die jüdischen
Gemeinschaften in der zürcherischen Gesellschaft
haben. Sie bieten eine Bereicherung und sind
ein unentbehrlicher Teil des Zusammenlebens.
Die anerkannten Religionsgemeinschaften
sind gegenüber dem Staat rechenschaftspflichtig.
Ihre gesamtgesellschaftlichen Leistungen sind der
Grund, warum die öffentlichrechtlich anerkannten
Religionsgemeinschaften Staatsbeiträge erhalten –
gesamthaft 50 Millionen Franken pro Jahr.
Eine Studie der Universität Zürich ergibt,
dass die quantitativen Leistungen der Kirchen
diesen monetären Wert bei weitem übersteigen.
Zudem analysierten die Forschenden den Beitrag
der Religionsgemeinschaften zu Solidarität,
Stabilität und zum Sozialkapital einer offenen,
demokratischen Gesellschaft. Die qualitative
Studie förderte verschiedene Ergebnisse zutage:
Die Bedeutung religiöser Rituale bei wichtigen
Lebensereignissen wie Geburt, Hochzeit und Bestattung
ist für viele Menschen hoch. Auch die
politischen Gemeinden schätzen die religiösen
Gemeinschaften als verlässliche Akteure vor Ort.
Die Religionsgemeinschaften leisten einen grossen
Beitrag ausserhalb von Religion und kultischen
Handlungen.
Prägende Werte
Rund die Hälfte der Menschen im Kanton Zürich
gehört einer Religionsgemeinschaft an. Dies kann
jeder und jede ganz individuell entscheiden, ein
Austritt aus der jeweiligen kirchlichen Körperschaft
ist jederzeit möglich. Wir leben – zum Glück – in
einer offenen, freiheitlichen Gesellschaft.
Doch eines bleibt: Wir leben in einer Gesellschaft,
in der Grundwerte wie Toleranz, Respekt
und Fürsorge gelten. Für mich sind dies zutiefst
christlich-jüdische Werte, die für alle Menschen
im Kanton Zürich prägend sind – egal ob er oder
sie Mitglied in einer der anerkannten Kirchen
ist oder nicht.
Die Kirchen stehen für Dialog: Sie können
daran erinnern, dass Differenzen eine Gesellschaft
nicht spalten dürfen und dass Verzeihen
möglich ist, statt Hass zu schüren. Kirchen sind
Brückenbauer: Ihre Angebote sind niederschwellig,
integrativ, nicht leistungsorientiert und ohne
wirtschaftliche Interessen. Welch eine Wohltat!
Das spüre ich selbst: Mein Glaube gibt mir Halt
und Atem – auf persönlicher Ebene, aber auch im
politischen Alltag.
Ich bin überzeugt, dass die Kirchen und anerkannten
Religionsgemeinschaften unsere finanzielle
Unterstützung verdienen. Sie sind jeden Franken
wert! Denn sie sind für alle da, für Arme und
Reiche, Junge und Alte, unabhängig von politischen
Einstellungen. Gleich hier um die Ecke, jeden Tag –
mitten unter uns.
Regierungsrat Mario Fehr leitet die Zürcher Sicherheitsdirektion,
der auch das Sozialamt untersteht.
die anerkannten Glaubensgemeinschaften auch direkt Geld
aus der Kantonskasse. Diese Beiträge sind in Kritik gekommen,
doch die Kirchen verdienen die finanzielle Unterstützung.
Der betagte Vater liegt im Sterben: Die Spitalseelsorgerin
kommt ans Krankenbett. Eine junge
Frau lebt auf der Strasse: Ihr Essen erhält sie in
der kirchlichen Gassenküche. Ein Suizid erschüttert
die Familie: Die Polizei ruft den Notfallseelsorger.
Eine schwere Krankheit bestimmt unser Leben:
Die Pfarrerin hat stets ein offenes Ohr.
So ist meine Kirche: Sie ist da und bietet Hilfe
an, wenn sie gebraucht wird. Meine Kirche sorgt
sich um andere – um unsere Nächsten. Dieser Gedanke
von Gemeinschaft und Miteinander ist mir
wichtig. Wenn Ungleichheiten und Verwerfungen
unsere Gesellschaft ins Straucheln bringen, braucht
es die positiven, verbindenden Kräfte und unterstützenden
Impulse. Solche Kräfte und Impulse liefern
die anerkannten Religionsgemeinschaften im
Kanton Zürich – nicht nur in der Adventszeit, sondern
das ganze Jahr über.
Bewährte Beziehung Kirche und Staat
Als Sozialminister des Kantons Zürich anerkenne
und schätze ich die vielfältigen Leistungen unserer
Kirchen, die soziale und emotionale Bedürfnisse erfüllen.
Der Staat kann diese Aufgaben nicht allein
übernehmen. Ich bin dankbar dafür, dass die Kirchen
vorhandene Lücken schliessen, sich für die
Schwachen in der Gesellschaft einsetzen und jederzeit
Zusammenhalt und Unterstützung bieten.
Die Anerkennung der religiösen Gemeinschaften
geschieht nicht zufällig. Die Grundlage für
diese Anerkennung und Wertschätzung legt die
Präambel der Kantonsverfassung. Dort ist verankert,
dass das Volk des Kantons Zürich «in Verantwortung
gegenüber der Schöpfung» handle – ein
zwar indirekter, aber deutlicher Bezug zu den religiösen
Grundlagen des Gemeinwesens. Diese Verpflichtung
nehme ich als Politiker und reformierter
Christ gern an.
Einen Meilenstein meiner politischen Bemühungen
als ehemaliger Kantons- und Verfassungsrat bildete
die staatliche Anerkennung der
jüdischen Gemeinschaften Israelitische Cultusgemeinde
Zürich und Or Chadasch mit der neuen
Kantonsverfassung, die im Januar 2006 in Kraft trat.
Diese schon damals längst überfällige Anerkennung
würdigt den hohen Stellenwert, den die jüdischen
Gemeinschaften in der zürcherischen Gesellschaft
haben. Sie bieten eine Bereicherung und sind
ein unentbehrlicher Teil des Zusammenlebens.
Die anerkannten Religionsgemeinschaften
sind gegenüber dem Staat rechenschaftspflichtig.
Ihre gesamtgesellschaftlichen Leistungen sind der
Grund, warum die öffentlichrechtlich anerkannten
Religionsgemeinschaften Staatsbeiträge erhalten –
gesamthaft 50 Millionen Franken pro Jahr.
Eine Studie der Universität Zürich ergibt,
dass die quantitativen Leistungen der Kirchen
diesen monetären Wert bei weitem übersteigen.
Zudem analysierten die Forschenden den Beitrag
der Religionsgemeinschaften zu Solidarität,
Stabilität und zum Sozialkapital einer offenen,
demokratischen Gesellschaft. Die qualitative
Studie förderte verschiedene Ergebnisse zutage:
Die Bedeutung religiöser Rituale bei wichtigen
Lebensereignissen wie Geburt, Hochzeit und Bestattung
ist für viele Menschen hoch. Auch die
politischen Gemeinden schätzen die religiösen
Gemeinschaften als verlässliche Akteure vor Ort.
Die Religionsgemeinschaften leisten einen grossen
Beitrag ausserhalb von Religion und kultischen
Handlungen.
Prägende Werte
Rund die Hälfte der Menschen im Kanton Zürich
gehört einer Religionsgemeinschaft an. Dies kann
jeder und jede ganz individuell entscheiden, ein
Austritt aus der jeweiligen kirchlichen Körperschaft
ist jederzeit möglich. Wir leben – zum Glück – in
einer offenen, freiheitlichen Gesellschaft.
Doch eines bleibt: Wir leben in einer Gesellschaft,
in der Grundwerte wie Toleranz, Respekt
und Fürsorge gelten. Für mich sind dies zutiefst
christlich-jüdische Werte, die für alle Menschen
im Kanton Zürich prägend sind – egal ob er oder
sie Mitglied in einer der anerkannten Kirchen
ist oder nicht.
Die Kirchen stehen für Dialog: Sie können
daran erinnern, dass Differenzen eine Gesellschaft
nicht spalten dürfen und dass Verzeihen
möglich ist, statt Hass zu schüren. Kirchen sind
Brückenbauer: Ihre Angebote sind niederschwellig,
integrativ, nicht leistungsorientiert und ohne
wirtschaftliche Interessen. Welch eine Wohltat!
Das spüre ich selbst: Mein Glaube gibt mir Halt
und Atem – auf persönlicher Ebene, aber auch im
politischen Alltag.
Ich bin überzeugt, dass die Kirchen und anerkannten
Religionsgemeinschaften unsere finanzielle
Unterstützung verdienen. Sie sind jeden Franken
wert! Denn sie sind für alle da, für Arme und
Reiche, Junge und Alte, unabhängig von politischen
Einstellungen. Gleich hier um die Ecke, jeden Tag –
mitten unter uns.
Regierungsrat Mario Fehr leitet die Zürcher Sicherheitsdirektion,
der auch das Sozialamt untersteht.