401.101

Persönliche Integrität
401.101
Kantonalkirche Schaffhausen

Verordnung zum Schutz der persönlichen Integrität

(Persönliche Integrität)
vom 9. April 2024
Der Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Schaffhausen, gestützt auf Art. 39 lit i und j sowie Art. 83 Abs. 1 und Art. 89 der Kirchenverfassung vom 22. September 2002 (RKV, RS 201.100) und auf Art. 41 des Personalgesetzes vom 25. November 2009 (RS 401.100) beschliesst:
Grundsätze und Geltungsbereich
§ 1
Grundsätze
1 Die Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Schaffhausen (nachstehend Kirche) schützt die Persönlichkeit und Würde aller Mitarbeitenden, Freiwilligen und Menschen, die die Dienste der Kirche in Anspruch nehmen. Diese haben Anspruch auf Schutz der seelischen und körperlichen Integrität.
2 Durch Mobbing, sexuelle Belästigung, Diskriminierung, Gewalt und geistlichen Missbrauch werden Betroffene in ihrer Persönlichkeit verletzt. Mit "Verletzungen der persönlichen Integrität" sind Angriffe von aussen auf die Person als Ganzes gemeint, die diese Unversehrtheit gefährden. Es geht um Verhaltensweisen, die Grenzen verletzen und den Selbstwert schädigen.
3 Die Kirche erwartet von all ihren Mitarbeitenden und Freiwilligen einen gegenseitig fairen, respektvollen und wertschätzenden Umgang sowie das Respektieren persönlicher Grenzen, auf die ihre Kolleginnen und Kollegen, Behördenmitglieder, Freiwillige und anvertraute Dritte im zwischenmenschlichen Kontakt Anspruch erheben. Integritätsverletzungen werden nicht toleriert.
4 Die Kirche verpflichtet sich, Beschwerden abzuklären und Betroffene zu schützen. Belästigende Personen haben mit Sanktionen zu rechnen, die je nach Schwere der Belästigung von einem schriftlichen Verweis bis zur fristlosen Entlassung reichen können. Grenzverletzende Freiwillige können von der Mitarbeit ausgeschlossen oder in schweren Fällen angezeigt werden.
§ 2
Geltungsbereich
Dieser Grundsatz gilt für alle fest und temporär angestellten Mitarbeitenden, Auszubildende und Praktikanten sowie Freiwilligen der Kirche des Kantons Schaffhausen.
Definition von Integritätsverletzungen
§ 3
Mobbing
1 Mobbing bedeutet, jemanden über längere Zeit systematisch zu schikanieren, zu demütigen, zu bedrohen, auszugrenzen oder ihre Würde zu unterminieren. Mobbing kann in verschiedensten Handlungen zum Ausdruck kommen, welche die Persönlichkeit und das Selbstwertgefühl verletzen, so unter anderem als Angriff auf:
- die Möglichkeit, sich mitzuteilen: nicht ausreden lassen, ständiges Unterbrechen, Anschreien, Informationen vorenthalten
- die sozialen Beziehungen in der Arbeitssituation: allgemeine Kontaktverweigerung, Ignorieren, Ausgrenzen, Isolieren
- das soziale Ansehen: lächerlich machen, Gerüchte streuen, Sticheleien, Beleidigungen, abschätzige Bemerkungen
- die Qualität der Berufs- und Lebenssituation: schikanöse und erniedrigende Arbeiten zuweisen, ungerechtfertigte Kritik, Entziehen von wichtigen Aufgaben
- die (seelische) Gesundheit: Androhung von körperlicher Gewalt, Tätlichkeiten, sexuelle Belästigung.
2 Mobbing unterscheidet sich von Konflikten, wie sie in jeder Arbeitssituation entstehen und gelöst werden müssen. Es sind nicht die einzelnen Vorkommnisse, die Mobbing ausmachen, sondern die Summe aller belastenden Handlungen über einen längeren Zeitraum hinweg und die gesamte Wirkung, die zu einer Machtverschiebung führt.
Wird Mobbing durch einen Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen ausgeübt, so wird von Bossing gesprochen.
§ 4
Sexuelle Belästigung
1 Als sexuelle Belästigung gilt jede Handlung mit sexuellem Bezug, die von einer Seite unerwünscht ist und eine Person in ihrer Würde verletzt. Die Belästigung kann sich während der Arbeit, bei Veranstaltungen, in Ferien oder Lagern ereignen. Auch unerwünschte Kontaktaufnahmen (z.B. via SMS oder soziale Medien) können als sexuelle Belästigung gewertet werden. Sexuelle Belästigung kann in folgenden Verhaltensweisen zum Ausdruck kommen:

-

Anzügliche und peinliche Bemerkungen über das Äussere

-

Bemerkungen über körperliche Vorzüge und Schwächen

-

Sexistische Sprüche und Witze

-

Aufdringliche, taxierende Blicke, Nachstellen

-

Vorzeigen, Auflegen und Versenden von pornographischem Material

-

Zweideutige Aufforderungen

-

Zudringliche Körperkontakte

-

Annäherungsversuche, die mit Versprechen von Vorteilen oder Androhung von Nachteilen einhergehen.

2 Bei der Beurteilung wird massgeblich auf das Empfinden der betroffenen Person abgestellt.
Die sexuelle Belästigung stellt einen Straftatbestand nach Schweizerischem Strafgesetzbuch dar. Entsprechende Handlungen können daher strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
§ 5
Diskriminierung aller Art
1 Diskriminierung ist eine qualifizierte Art von Ungleichbehandlung und liegt vor, wenn die drei folgenden Elemente gegeben sind:

-

eine Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen,

-

die eine ungerechtfertigte Herabwürdigung einschliesst,

-

und an ein besonderes Unterscheidungsmerkmal anknüpft.

2 Diskriminierung kann beispielsweise aufgrund folgender Kriterien auftreten:

-

Geschlecht, Alter, Herkunft, Ethnie, sexuelle Orientierung, Sprache, soziale Stellung

-

religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung

-

körperliche, geistige oder psychische Behinderung

§ 6
Gewalt
Gewalt wird verstanden als eine Quelle der Macht und im engeren Sinn als illegitime Ausübung von Zwang: Der Wille dessen, über welchen Gewalt ausgeübt wird, wird missachtet oder gebrochen. Gewalt kann physisch, psychisch, verbal und nonverbal ausgeübt werden.
Auch eine Drohung stellt eine Integritätsverletzung durch Gewaltausübung dar. Sie meint das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der/die Drohende vorgibt, Einfluss nehmen zu können.
§ 7
Geistlicher Missbrauch
Unter geistlichem Missbrauch versteht man das bewusste oder unbewusste Nicht-Respektieren der spirituellen und religiösen Integrität der Menschen und ein starkes Einwirken auf den inneren Menschen und seine Haltung.
- Druck zu geistlichen Handlungen wie Bekehrung, Vergebung, das Drängen zu Schuldbekenntnissen oder persönlichen Glaubenszeugnissen
- Religiöse Interpretationen und Bewertung von Lebenssituationen (z.B. Krankheiten und Schicksalsschlägen). Theologische Begriffe wie Schuld, Strafe, Opfer sollen zurückhaltend verwendet werden
- Vereinnahmung von "Gottes Willen" zur Verfolgung persönlicher oder vermeintlich kirchlicher Interessen
- Konversionstherapien, Exorzismen, weitere manipulative spirituelle Handlungen
Verantwortung
§ 8
Verantwortung der Kirchenleitung
1 Die Kirche trifft alle nötigen Vorkehrungen um den Schutz der persönlichen Integrität sicherzustellen. Vor Anstellungen bzw. längerfristigem Engagement im Bereich Betreuung und Kinder- und Jugendarbeit wird von den Anstellungsbehörden ein Sonderprivatauszug aus dem Strafregister verlangt.
2 Die Kirche verpflichtet sich, gegen Mitarbeitende vorzugehen, die die Integrität anderer nicht respektieren. Sie sorgt dafür, dass den Beschwerdeführenden und allfälligen Zeugen aus der Mitteilung eines Fehlverhaltens keine Nachteile entstehen.
3 Werden Mitarbeitende durch betriebsfremde Personen am Arbeitsplatz in ihrer Integrität verletzt, wird die Kirche ebenfalls alle zumutbaren und angemessenen Möglichkeiten ausschöpfen, um dies zu unterbinden.
§ 9
Verantwortung der Betroffenen
1 Menschen, die sich gemobbt, sexuell belästigt, diskriminiert, mit Gewalt oder spirituellem Machtmissbrauch konfrontiert fühlen, sollen der belästigenden Person nach Möglichkeit klar mitteilen, dass sie dieses Verhalten nicht dulden.
2 Wenn Selbsthilfe nicht möglich ist oder scheitert, soll sich die betroffene Person für eine vertrauliche Beratung an die beauftragte Ansprechperson des Kirchenrats für Grenzverletzungen und/oder die externe Anlaufstelle Movis wenden oder die vorgesetzte Person informieren.
Ergänzend wird der betroffenen Person empfohlen, Tagebuch über die Belästigungssituationen zu führen (Belästigungshandlung, Ort, Zeit, allfällige Zeugen) und Beweise zu sammeln.
3 Die vertrauliche Beratung steht auch Mitarbeitenden, die sich zu Unrecht einer Integritätsverletzung beschuldigt fühlen, zur Verfügung.
§ 10
Verantwortung der Vorgesetzten
Vorgesetzte fördern in ihrem Zuständigkeitsbereich eine von Fairness, gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägte Arbeitskultur. Sie sind für eine mobbing- und belästigungsfreie Arbeitsatmosphäre besorgt und verantwortlich. Auftretende Konflikte werden aktiv angegangen und gelöst. Hinweisen auf Persönlichkeitsverletzungen gehen sie unverzüglich nach. Vorgesetzten wird empfohlen sich im Bedarfsfall Unterstützung durch die beauftragte Anlauf- und Beratungsstelle Movis zu holen.
§ 11
Verantwortung von Mitarbeitenden und Zeugen
1 Alle Mitarbeitenden sind verpflichtet, durch ihr persönliches Verhalten einen positiven Beitrag an eine mobbing- und belästigungsfreie Atmosphäre zu leisten.
2 Wer beobachtet, wie andere gemobbt, sexuell belästigt, diskriminiert oder mit Gewalt konfrontiert werden, ist aufgefordert, der betroffenen Person ihre Unterstützung anzubieten und die grenzverletzende Person allenfalls mit ihrem Verhalten zu konfrontieren. Dies gilt nur für eigene Beobachtung und niemals für "Hören-Sagen".
Vertrauliche Beratung und Beschwerde
§ 12
Vertrauliche Beratung
1 Der Kirchenrat hat die Firma Movis als professionelle Anlauf- und Beratungsstelle für die Kirche beauftragt. Betroffene, die sich in ihrer persönlichen Integrität verletzt oder zu Unrecht beschuldigt fühlen und Zeugen von Belästigungsvorfällen haben die Wahl, sich vertraulich beraten zu lassen und/oder direkt eine Beschwerde einzureichen. Verantwortliche der Kirchgemeinden (Präsidium, Personalverantwortung und Jugendverantwortliche) können sich ebenfalls bei Movis AG beraten lassen.
2 Basierend auf der Anhörung der geschilderten Vorfälle unterstützt die Vertrauensperson bei der Einordnung des Erlebten, zeigt Handlungsoptionen auf, unterstützt die Selbsthilfe, informiert über die Meldestelle und das Beschwerdeverfahren und klärt den Schutzbedarf.
3 Externe Anlauf- und Beratungsstelle – rund um die Uhr erreichbar
Movis AG, Stadthausgasse 7, 8200 Schaffhausen
www.movis24.ch (auch anonym)
Tel. +41 848 270 270 (24/7 erreichbar)
info@movis.ch
www.movis.ch
Weitere Anlaufstellen auf: www.ref-sh.ch/missbrauch
§ 13
Meldestelle
1 Dieser Absatz wurde aufgelöst am "24.04.2024" durch das Gremium "".
2 Betroffene haben im Falle von persönlich erlebten oder beobachteten Grenzverletzungen das Recht und die Möglichkeit (mit oder ohne vorgängige Beratung durch Vertrauenspersonen oder die externe Anlaufstelle) eine Beschwerde einzureichen und deren Bearbeitung zu verlangen. Ein internes Beschwerdeverfahren kann aber auch vom/von der nächsthöheren Vorgesetzten oder der Kantonalkirche angestossen werden. Aus einer berechtigt eingereichten Beschwerde dürfen dem/der Beschwerdeführer/-in keine Nachteile erwachsen.
3 Eine Beschwerde kann innerhalb der Kirche an eine der folgenden Stellen mündlich, vorzugsweise aber schriftlich, eingereicht werden und löst eine Interventionspflicht aus:
- Vorgesetzte Person; Kirchenstandspräsidium der Kirchgemeinde
- Personaldienst oder Kanzleileitung der Kantonalkirche
- Beauftragte Person des Kirchenrats für Grenzverletzungen
Weitere Informationen auf: www.ref-sh.ch/missbrauch
Diese Verordnung ist integraler Bestandteil des Personalgesetzes. Sie tritt per 01.05.2024 in Kraft und wird allen bisherigen und neueintretenden Mitarbeitenden, Auszubildenden und Praktikanten und Freiwilligen zur Kenntnis gebracht. Es steht ebenfalls den Behörden der Kirchgemeinden zur Verfügung.

Schaffhausen, 09.04.2024
Wolfram Kötter, Kirchenratspräsident
Gabriele Schäfer, Kirchenratsschreiberin